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Der Zehnt

Im Mittelalter gab es grundsĂ€tzlich zwei Arten der Steuern: den Zins (die Grundsteuer), der an den Grundherren abzugeben war, und der Zehnt, welcher der Kirche gehörte. Weil uns eine verfĂŒgbare Quelle einen kleinen Überblick ĂŒber den Zehnt im Rosenberger Kreis verschafft, lohnt es sich, etwas mehr darĂŒber zu schreiben: Der Zehnt wurde auf verschiedene Art entrichtet. Die Ă€lteste Form ist der Feldzehnt oder der Garbenzehnt, „more polonico“ genannt. Dabei stand dem EmpfĂ€nger wirklich die zehnte Garbe oder der zehnte Teil der jeweiligen Ernte zu. Die Garben mussten solange auf dem Felde bleiben, bis sich der EmpfĂ€nger seinen Anteil abgeholt hatte. SpĂ€ter wurde eine bestimmte Menge Getreide oder Geld abgegeben (Geldzehnt). Im Falle der Umgebung von Rosenberg stand im Mittelalter das Recht, den Zehnt einzuziehen, dem Bischof von Breslau zu, welcher der EigentĂŒmer vieler Ortschaften in dieser Region war.

Nach dem Tode Johannes III. (gest. 1301) ließ der neue Breslauer Bischof, Heinrich von WĂŒrben (1301 – 1320), alle Orte, die in seinem Besitz waren, sorgfĂ€ltig mit den Angaben des Zehnt als Einnahmen des Bistums auflisten. Diese Informationen wurden im Jahr 1303 aufgeschrieben. Laut den erhaltenen Daten kann man folgendes ermitteln:

  • Thule hatte 2 Töpfe Honig zu zahlen,
  • Lenke (Ɓąka) einen (Jagd-) Sperber,
  • Wachow (gehörte dem Goslaus) hatte einen (Jagd-) Sperber zu zahlen,
  • Lippe (Lipa) 2 Mark,
  • Lippe Cossine 1 Âœ Mark,
  • Pomaraznic (?) einen Falken,
  • Pascusszow (?) 2 Mark, manchmal mehr,
  • Zembowitz hatte von 20 Hufen 3 Maß Brotkorn und drei Hafer zu geben,
  • Neudorf war befreit außer dem MĂ€lzer, der musste 3 Maß Brotkorn und drei Hafer abgeben,
  • Wendrin hatte von 30 Hufen von jeder Hufe 2 Maß Brotkorn und 2 Hafer zu zahlen,
  • Grötsch hatte von 16 Hufen 8 Malter Dreikorn (Weizen, Roggen und Hafer) zu zahlen,
  • Laskowitz den Zehnt von jedem Korn,
  • Lowoschau hatte von den Hufen die Viedrunge zu zahlen,
  • Schönwald hatte von 30 Hufen freiwillig Viedrunge zu zahlen,
  • Wyssoka hatte von 30 Hufen Viedrunge zu zahlen,
  • Wachowitz (genannt Dorf des Moyco) hatte von 24 Hufen Viedrunge zu zahlen,
  • Leschna von 5 Hufen die Viedrunge ,
  • Radau von 30 Hufen die Viedrunge, jede zu 5 Scoten,
  • Schreibersdorf („scriptores villa“, Pisarzowice, gehörte dem Herrn Gothard) hatte die Viedrunge zu zahlen, zusammen mit
  • Rosenberg („Olezno“) waren insgesamt von 30 Hufen die Viedrunge zu zahlen.

Eine Hufe entsprach 30 Morgen (ca. 7,65 ha); ein Viertel Mark = 1 Viedrung von einer Hufe. Zwei Dörfer kann man heute nicht mehr identifizieren: Pomaraznic und Pascusszow. Der Ort Schreibersdorf war ein Dorf, das spÀter untergegangen ist, und lag zwischen Rosenberg und Lowoschau.

Andreas Pawlik (aus dem Polnischen ĂŒbersetzt von Klaus Willmann, bearbeitet von Michael Schlese)        zurĂŒck

Warum wurde im deutschen Rosenberg polnisch geschrieben?
 
Ist es nicht verwunderlich? In einer Urkunde aus dem Jahre 1711, die im zum Deutschen Reich gehörenden Rosenberg aufgesetzt wurde, wird polnisch geschrieben.
 
Um das Problem zu verstehen, sollte man unsere moderne Vorstellung des Staates vergessen. Erst in der zweite HĂ€lfte des 19. Jahrhunderts entstanden Definitionen des Staates, die besagen, dass man in einem Gebiet, das durch eine Grenze beschrĂ€nkt ist, auch eine Sprache spricht. Diese Voraussetzungen waren in der Vergangenheit nicht vorhanden. Ein Beispiel: Friedrich der Große hat bei Hofe ĂŒberwiegend französisch gesprochen. Seine private Korrespondenz ist nur teilweise in deutscher Sprache geschrieben, die mit sehr vielen französischen Wörtern vermischt ist, was heute schwer verstĂ€ndlich ist. Niemand wird nun sagen, dass ein preußischer König, der französisch sprach, kein Deutscher ist...
 
ZurĂŒck zu unserer Stadt:
 
In Laufe der Geschichte gab es relativ viele Migrationen der Bevölkerung von Rosenberg: 
  1. Aus einer Urkunde wissen wir, dass sich zwischen 1275 und 1340 in Rosenberg 6 Handwerkerfamilien aus Flandern (ein Teil vom heutigen Belgien und Holland) angesiedelt haben.
  2. Eine teilweise neue Besiedlung der Stadt fand nach dem Jahr 1350, also nach der erste bekante Pestepidemie statt. Damals kamen in unsere Stadt einige Familien aus Böhmen. Die teilweise entsiedelten Gebiete der Stadt, leerstehende HĂ€user und Höfe luden natĂŒrlich fremde Familien ein, dorthin zu ziehen.
  3. Eine Ă€hnliche Situation entstand nach 1405, wo sich gemĂ€ĂŸ den erhaltenen Quellen nachweisen lĂ€sst, dass viele „Fremde“ in die Stadt kamen. Die „Neuen“ in Rosenberg stammten aus dem SĂŒden, also mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls aus Böhmen.
  4. Das Gleiche geschah nach den Jahren 1603 und 1630. Damals aber zogen in unsere Stadt einige Familien aus dem Königreich Polen.
  5. Nach der letzten Pestepidemie im Jahr 1708 kamen Handwerkerfamilien aus dem Königreich Polen, aus Sachsen und Österreich (z.B. Wien) nach Rosenberg.
 
Soviel in KĂŒrze zu den Bevölkerungsmigrationen nach Rosenberg bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Der spĂ€tere Zeitraum ist nicht mehr vergleichbar mit dem im vorherigen Geschehenen, wie z. B. die Kolonisation unter Friedrich dem Großen, oder die Migrationen infolge der beiden Weltkriege. FĂŒr diesen, zweiten Zeitraum findet man bis nach 1945 kaum eine offizielle Urkunde, die nicht auf deutsch geschrieben worden ist (auch nicht in kirchlichen Akten, wo bis dahin lateinisch geschrieben wurde).
 
Jetzt zu den Urkunden:
 
Die erste Rosenberg betreffende Urkunde wurde im Jahre 1226 in lateinischer Sprache verfasst. Weitere Urkunden, die fĂŒr die BĂŒrger unserer Stadt bestimmt waren, sind am meisten lateinisch und deutsch geschrieben, spĂ€ter auch tschechisch (das erste Mal am 31. Mai 1490).
 
Die zweite erhaltene Urkunde, die daselbst in der Stadt Rosenberg erstellt worden ist, wurde am 7. Januar 1478 verfasst. Die Sprache dieser Urkunde ist Latein, Àhnlich wie in vielen weiteren.
 
Die erste erhaltene Urkunde, die in Rosenberg in Deutsch (nÀmlich in Alt-Deutsch) erstellt worden ist, stammt vom 9. September 1577.
 
Die erste erhaltene Urkunde, die in Rosenberg in Tschechisch (Alt-Tschechisch) erstellt worden ist, stammt vom 11. November 1570.
 
Die erste erhaltene Urkunde, die in Rosenberg in Polnisch (Alt-Polnisch) erstellt worden ist, stammt vom 6. Dezember 1578.
 
Soviel zu den Urkunden selbst.
 
Es wĂ€re nun falsch zu behaupten, dass die Sprache der einzelnen Urkunden, ein Spiegelbild fĂŒr die benutzte Sprache der ganzen Bevölkerung von Rosenberg sei. Damals konnten nur wenige schreiben. Was fĂŒr eine Sprache tatsĂ€chlich im Alltag benutzt wurde, ist heute nicht mehr zu ermitteln.
 
Versuchen wir deshalb, bestimmte Abschnitte der Rosenberger Geschichte zu erinnern:
 
Zwischen 1553 und 1557 gehörte Rosenberg zu Ungarn, wo die aus Polen stammende Königin Isabella Zapolya herrschte. Sie selbst hat nur eine Urkunde fĂŒr Rosenberg verfassen lassen, die ist in tschechischer Sprache geschrieben. Zur Erinnerung: Die erste in Polnisch verfasste Urkunde wurde in Rosenberg einige Jahre spĂ€ter ausgestellt (nĂ€mlich 1578). Ist es nicht wahrscheinlich, dass unter der Herrschaft von Isabella Zapolya nach Rosenberg Menschen kamen, die der polnischen Sprache mĂ€chtig waren? SpĂ€ter besetzten diese vielleicht einige Ämter oder wurden in den geistlichen Stand berufen. Dessen Mutersprache war eben Polnisch und diese Sprache haben sie auch gepflegt. Die oben genannten, nachgewiesenen Migrationen sprechen jedenfalls dafĂŒr, diese nicht auszuschließen.
 
Fast hundert Jahre spÀter, d. h. von 1645 bis 1666 gehörte Rosenberg zu Polen. Beginnend von der Mitte des 17. Jahrhunderts an hÀufen sich Urkunden, die in polnischer Sprache geschrieben wurden. Die Pfarrer schreiben am meisten nur polnisch, genauso wie die damaligen Schreiber des Stadtrates.
                       
Und jetzt zu den zwei bzw. drei Urkunden, die auf der Homepage www.Olesno.de soviel Nachfragen erzeugt haben.
 
Frage: Warum schrieb der Pfarrer Biadon seine Klage nach Oppeln in polnischer Sprache?
 
Antwort: Weil er keine andere Sprache, außer Latein, welche ja die Kirchensprache war, kannte. Familie Biadon ist nĂ€mlich nach Rosenberg in der Mitte des 17. Jahrhunderts gekommen. Der Schuster Adam Biadon stammte aus Polen. Es ist nicht schwer nachzuvollziehen, dass sein Enkel, der Pfarrer Christoph Biadon auch polnisch sprach. In Oppeln kante man diese Sprache ebenfalls, und wenn nicht gerade der zustĂ€ndige Richter Polnisch sprach, sprach es vielleicht sein Gehilfe.
 
Zweite Frage: Warum ist die Urkunde vom 6. November 1710 in drei Sprachen geschrieben worden?
 
Antwort: Latein, Deutsch und Polnisch waren damals die Gebrauchssprachen in Rosenberg. Die Autoren wollten, dass nach den schrecklichen Ereignissen des Jahres 1708 (Pest), eine Art der aufgeschriebenen Erinnerung entsteht. Das ist auch erreicht worden, und zwar in den Sprachen, die man damals benutzte. Warum aber gleichzeitlich in drei Sprachen? Das Überleben nach der Pest und der Bau einer neuen Kirche waren ausreichend wichtige Ereignisse, um diese Taten festlich zu dokumentieren - und zwar in den Sprachen, die jeder in Rosenberg verstand. Das Lateinische bezog sich aber nur auf die kirchliche Macht.
 
Dritte Frage: Warum wurde am 18. August 1711 eine vom Stadtrat von Rosenberg erstellte Urkunde nur in polnischer Sprache niedergeschrieben?
 
Antwort: Der Inhalt der Urkunde ist nicht identisch mit dem Pergament aus dem November 1710. Bei der ersten Urkunde wirkte der neue Rosenberger Pfarrer, Simon Paul (1709 – 1720), mit. Darum auch die lateinische Version. Die spĂ€tere Urkunde erstellte nur der Magistrat unter Anwesenheit der Zunftmeister. Genau hier liegt die Antwort, warum sie in Polnisch verfasst wurde:
 
Wenn der BĂŒrgermeister Gregor Tlustek (1709 – 1712) deutsch und polnisch konnte, der damalige Schreiber des Magistrats, Mathias Friese, auch, dann mĂŒssten es die anderen Anwesenden gewesen sein, die der deutschen Sprache nicht mĂ€chtig waren. Wenn die Sprache der Urkunde Deutsch gewesen wĂ€re, hĂ€tten sie dann die Zunftmeister, die nicht aus Rosenberg stammten, verstanden? Ich denke: Nein. Der Zimmerermeister und spĂ€tere Zunftmeister der Zimmerleute, Mathias Winderko, hĂ€tte die Urkunde bestimmt nicht verstanden, weil er in der erste HĂ€lfte des Jahres 1709 aus Polen nach Rosenberg kam. Es liegt nahe zu vermuten, dass die Beurkundenden entweder nur Polnisch sprachen oder dies als Zweitsprache verstanden.
 
Die Zweisprachigkeit ist zudem ein hinlĂ€nglich bekanntes PhĂ€nomen fĂŒr grenznahe RĂ€ume. Rosenberg lag schließlich nur einige Kilometer entfernt von der Grenze nach Polen. Und diese staatliche Grenze war eben nicht identisch mit den Siedlungs- und SprachrĂ€umen, was die moderne Definition des Staates gerne unterstellt. So erklĂ€rt sich, warum im deutschen Rosenberg polnisch geschrieben wurde.
 
Andreas Pawlik                                                                                                                                       zurĂŒck