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Rosenberg im 18. Jahrhundert

Orientalische Gäste

Nach der Besetzung Schlesiens durch Preußen hatte die Kaiserin von Österreich, Maria Theresia (1745-1780), Anfang des Jahres 1756 militärische Bündnisse mit Frankreich, Schweden und Rußland geschlossen. Die Hauptziele dieser Bündnisse waren: Liquidation der Macht Preußen und Wiedereroberung Schiesiens. Friedrich der Große - entschlossen Österreich zuvorzukommen - griff im September 1756 Sachsen an. Das war der Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756-1763). Der König von Preußen wollte auch militärische Bündnisse gegen Rußland oder Österreich schließen. Weil ihn bisher nur England unterstützt hatte und er keinen anderen Verbündeten finden konnte, richtete er seine diplomatischen Schritte nach Osten aus. Ende September 1761 schickte er Gesandte auf die Krim. Die Expedition wurde von einem Holländer, Karl Adolf Boscamp, geleitet. Die Gesandtschaft Friedrich des Großen sollte den tatarischen Chan überzeugen, einen Krieg gegen Rußland oder Osterreich zu beginnen. Als Antwort auf die Gesandtschaft des Königs von Preußen schickte der Tataren-Chan Krym I. Girai (1758-1764 und 1768) eine eigene Gesandtschaft nach Preußen. Diese Expedition leitete Mustafa Aga (ges. 1762) - Leibarzt des Tataren-Chans. Die Gesandtschaft zählte 78 Personen. Im Oktober 1761 brach sie von Bachtschisaraj - Hauptstadt des Chanats der Krim-Tataren nach Preußen auf und nahm ihren Weg durch Schlesien.

Am Dienstag, dem 10. November 1761 nachmittags reisten die orientalischen Gäste durch das Südtor in die Stadt Rosenberg ein. Nach der Erteilung der Zustimmung durch den Magistrat von Rosenberg entschloß sich die Truppe, in der Stadt zu übernachten. Der damalige Pfarrer von Rosenberg, Daniel Besling (1755-1770), hatte die hochrangigen Gäste in das Kloster eingeladen. Auf den Klosterhof rollte einer der tatarischen Diener einen Teppich aus. Bald danach setzte sich auf diesen Teppich der Leiter der Gesandtschaft. Neben ihn, auf einem anderen Teppich, richtete sich der Hofkoch ein, der mit großem Aufwand anfing, ein Abendmal vorzubereiten. Der größte Teil der Reisenden wurde in der Großen oder Kleinen Vorstadt untergebracht, wo man ein paar große Zelte aufgebaut hatte. Am Abend versammelte sich die ganze Gruppe (78 Personen) auf dem Rosenberg Ring, wo kurz nach Sonnenuntergang Allah und Mohammed angebetet wurden. Gleich nach den Gebeten gingen alle Gäste ermüdet zur ihren Unterkünften. Am nächsten Tag (dem 11. November) früh morgens zog die Gesandtschaft nach dem gemeinsamen Gebet und kurzem Essen weiter. Kurz vor der Abfahrt hatten sich einige der Gäste bei dem Magistrat bedankt. Das Gleiche tat man auch gegenüber den Klosterbrüdern. Einen besonderen Dank für die erwiesene Gastfreundlichkeit erhielt der Pfarrer. Mitte November 1761 erreichte die tatarische Gesandtschaft das Lager der preußischen Armee, die gerade bei Schweidnitz stationiert war. Mustafa Aga kündigte dem preußischen König, der sich im Lager aufhielt, an, daß der große Chan, Krym I. Girai, im Frühling ein Korps von 60 000 bis 80 000 Soldaten gegen Rußland schicken wird. Kurz danach, im Dezember 1761, erreichte eine weitere tatarische Gesandtschaft unter der Leitung von Pascha Jakob Breslau. Dieser Jakob war vermutlich ein Ausländer, der am Hofe des Chans Dolmetscher und persönlicher Sekretär war. Seine Botschaft vom großen Chan lautete: Krieg mit Rußland ja - aber nur mit 40 000 Soldaten. Ein Vertrag wurde abgeschlossen. Die Gesandten des Großen Chans - beschenkt durch den preußischen König mit feinsten Kostbarkeiten - zauderten mit der Heimkehr, weil viele von ihnen erkrankten.

Ein zusätzliches Hindernis für die Heimkehr der Gesandtschaft war das Tauwetter. Erst Ende März 1762 kehrten die vereinigten Gesandtschaften von Mustafa Aga und Pascha Jakob heim. Während der Rückreise, am Mittwoch dem 7. April 1762, kamen sie wieder nach Rosenberg. Gleich nach der Ankunft bemerkten die Bewohner von Rosenberg etwas Beunruhigendes im Benehmen der orientalischen Gäste. Nach einem kurzen Gespräch stellte sich heraus, daß einer von den Gesandten gestorben war. Den Verstorbenen ließ man vor der Stadt bei dem Weg zur Rochuskirche. Die Tataren baten die Bewohnerschaft von Rosenberg um Hilfe beim Begräbnis und versprachen große Belohnung. Als die Gesandten alle nötigen Materialien zum Mauern und Zimmern erhalten hatten, kehrten sie zur Rochuskirche zurück. Dort, bei dem kleinen Berg wo die Kirche steht, entschlossen sich die Tataren, dem Verstorbenen ein Mausoleum zu erbauen. Erst grub man ein tieferes Loch aus und begann gleichzeitig mit den Maurerarbeiten. Danach fing man mit den Zimmermannsarbeiten an. Bei letzteren Tätigkeiten halfen auch die Rosenberger. Nach dem Ende aller Arbeiten begannen sehr bescheidene Begräbniszeremonien. Alles dauerte kurz und endete mit einem kollektiven Schweigen. Der Leichnam wurde in ein Tuch eingewickelt, und man bestattete den Verstorbenen sitzend in einem einfachen aber großen Sarg. Der Sarg wurde in das Loch auf Bretter gestellt, so daß kein Kontakt zwischen dem verstorbenen und der Erde bestand. Das Gesicht des Verstorbenen musste in Richtung Mekka ausgerichtet sein, d. h. nach Südosten, also in Richtung der Rochuskirche. Den Sarg schüttete man mit Erde zu. Die Tataren blieben bei dem Verstorbenen die ganze Nacht, und erst am nächsten Tag (dem 8. April) reisen sie weiter. Für die Erhaltung des Grabmals überliessen die Tataren 100 Taler, aber das Geld ist verloren gegangen. Nach einiger Zeit, noch im gleichen Jahr, kehrten einige von den dagewesenen Gesandten nach Rosenberg zurück. Sie brachten zwei Marmortafeln mit arabischen Schriften. Laut späteren Erzählungen der Augenzeugen (dem Gerichtsbürgermeister Anton Vogt, dem Landlehrer Janietz und dem Landwirt Kokot), die von Generation zu Generation weiter gegeben wurden, lässt sich feststellen, wie die Inschrift auf einer Tafel lautete:

Die aber glauben und gute Werke üben, sie sind die besten Geschöpfe. Ihr Lohn sind bei ihrem Herrn: Gärten der Ewigkeit, von Strömen durchflossen; darin werden sie weilen auf immer ... "

(Sure 98, Vers. 8-9).

Die Marmorplatte hängte man draußen am Grabmal an. Der Inhalt der zweiten Tafel war auch ein Zitat aus dem Koran, der lautete folgendermaßen:

“Fürwahr, keiner kann mich vor Allah beschützen, noch kann ich eine Zuflucht finden außer Ihm." (Sure 72, Vers 23).

Die zweite Marmorplatte brachte man innen im Grabmal an. Die Gruft des verstorbenen Tataren befand sich in einer Entfernung von ca. 130 m in gerader Linie von der Rochuskirche, in Richtung Nordwest, also in Richtung der Stadt. Damals befanden sich auf diesem Gebiet Weiden, heute ist das ein Ackerfeld, welches Familie Meinhardt gehört. Das Grabmal des Tataren sah wie eine kleine Kapelle mit einem hölzernen Dach aus. Die Höhe der Gebäude betrug wohl ca. 2 m, weil sich ein erwachsener Mann dort frei bewegen konnte. Wahrscheinlich übertrafen die anderen Maße der Gruft 3 m nicht. Der Regionalchronist Lompa schrieb, "dass das Mausoleum durch bösen Willen der Hirten zerstört worden ist”.

Zur Zerstörung des Mausoleums trug außerdem bei, daß zwischen 1774 und 1775 in der Nähe der Rochuskirche zwei Kolonien gegründet wurden, Walspek und Rosenheim. Aus naheliegenden Gründen wandelte man die damaligen Weiden in Acker um, und das

Mausoleum störte als unbrauchbares Gebäude, das in der Mitte des Feldes stand. Es lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass der damals verstorbene Tatar der Leibarzt des Chans war. Aus den tatarischen Quellen weiß man, dass der Leibarzt des Chans, Mustafa Aga, während einer dienstlichen Reise im Jahr 1762 verstorben und auf fremden Land begraben worden ist. Die Indizien sprechen dafür, dass in der Nähe von Rosenberg Mustafa Aga seine letzte Ruhe gefunden hat.

Andreas Pawlik (Unser Oberschlesien – Rosenberger Kreisblatt - 6. Oktober 1999)