Befreiung von Rosenberg oder Wahrheit, die weh tutâDann werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch befreien.â (Johannes, 8,32)
Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstandes (02.10.1944), als Stalins Plan aufgegangen war, Warschau und seine Bewohner mit Hilfe der deutschen MĂ€chte zu vernichten, begann die
groĂe Offensive der Roten Armee, die den in Unfreiheit lebenden Völkern die Befreiung bringen sollte. Die Soldaten der I. Ukrainischen Front begannen den Angriff aus der Region von Sandomierz an der Weichsel
(12.01.1945) mit der Weichsel-Oder Operation. Die HitlerfĂŒhrung begann, unter BerĂŒcksichtigung einer AnnĂ€hrung der Front an die Grenzen Deutschlands, mit dem Ausbau von Befestigungsanlagen zwischen Weichsel und
Oder. Auch im Kreis Rosenberg, wo sich entlang der ehemaligen deutsch-polnischen Grenze alte Befestigungsanlagen befanden, wurde damit begonnen, diese zu erneuern oder zu modernisieren. Innerhalb der Stadt wurden
kleine Sperren errichtet, u.a. neben dem GefĂ€ngnis und am Eisenbahnviadukt nach Landsberg. Bei diesen Arbeiten setzte man die Zivilbevölkerung, ĂŒberwiegend Ă€ltere Menschen (auch Frauen), ein.
Auf Grund des Hitlerdekrets vom 25.09.1944 (veröffentlicht am 18.10.1944) wurde der
Volkssturm ins Leben gerufen, der sich aus mĂ€nnlichen Personen im Alter von 16 bis 60 Jahren rekrutierte, welche vorher als nicht fĂŒr den MilitĂ€rdienst mit der Waffe geeignet
ausgemustert worden waren. Ein in Rosenberg aufgestelltes Volkssturmbataillon, wurde in der NĂ€he von Tschenstochau in Olsztyn ausgebildet, ein Teil davon auch in Rosenberg
auf dem GelĂ€nde der Tischlerei âPluschke und Brachtâ. Die Mitglieder dieser Einheit wurden ĂŒberwiegend an italienischen Waffen ausgebildet und zur âVerteidigung der Ehreâ
des III. Reiches eingesetzt. WĂ€hrend sich die Front blitzartig an die Grenze Deutschlands vorschob und GerĂŒchte ĂŒber barbarische Ausschreitungen der Roten Armee nicht verstummten,
erwiesen sich die Befestigungen der Stadt als nicht unreichend. Die Bewohner von Rosenberg, desorientiert und verloren, begannen die Stadt zu verlassen.
Noch am Sonntag, dem 14. Januar 1945, hatten die Bediensteten der Gestapo und der lokalen NSDAP versucht, die
Rosenberger Bevölkerung am Verlassen der Stadt zu hindern. Trotzdem verlieà am nÀchsten Tag, dem 15. Januar, die
erste Gruppe vom Bahnhof aus Rosenberg. In der Stadt selbst wohnten damals etwa 3.700 Personen. (Am 17.05.
1939 hatte Rosenberg mit der nÀheren Umgebung von Schönwald und Rosenhain zusammen 7.263 Einwohner.) Einige
nahmen die wertvollsten und nĂŒtzlichsten GegenstĂ€nde mit sich, andere jedoch lieĂen viele wertvolle GegenstĂ€nde zurĂŒck, die in den GĂ€rten oder auf dem Feld vergraben wurden.
Am Dienstag, dem 16. Januar, verlieĂ der damalige katholische Pfarrer von Rosenberg Paul Foik (1916 â 1945) die
Stadt und den Tag darauf der hiesige evangelische Pastor Gotthard Halm (1931 â 1945). Am 17. Januar um 6.45 Uhr
hatten die örtlichen Behörden die zwangsweise Evakuierung der Bevölkerung von Rosenberg angeordnet. Man versuchte mehrere âzig Fahrzeuge zu organisieren, die zu angegebenen Sammlungsorten um 9.00 Uhr erscheinen
sollten. Doch nicht ĂŒberall erschienen die Fahrzeuge - und so kam es, dass sich die durchgefrorenen Menschen gegen
15.00 Uhr wieder nach Hause begaben, entweder entschlossen, da zu bleiben, oder es am nÀchsten Tag noch einmal
zu versuchen. Der sichere Weg der Evakuierung war die Eisenbahn, mit welcher ein GroĂteil der Rosenberger Bevölkerung die Stadt verlieĂ. Ein anderer Teil der Rosenberger suchte Schutz in den umliegenden Dörfern.
Vor dem Verlassen von Rosenberg nahm fast jeder an einer Heilige Messe teil und erhielt den Segen
des Pfarrvikars Hugo Jendrzejczyk (1943 â 1946), der in Rosenberg verblieb. Dieser Geistliche, Zeuge der âBefreiungâ Rosenbergs, Beobachter und Teilnehmer vieler DenkwĂŒrdigkeiten, die sich in den
ersten Monaten des Jahres 1945 ereigneten, schrieb alles nieder, was er erlebte. Dank dieser Tatsachen, können wir heute die Wahrheit erkennen.
Noch am gleichen Tag (dem 17. Januar) durchquerten im RĂŒckzug deutsche Soldaten der 68. und der
712. Infanteriedivision die Stadt, ebenso Reste des 246. Infanterieregiments, die zur 4. Panzerarmee gehörten. Der
letzten Einheit folgten drei Panzer, die eine Verteidigungsstellung am Eisenbahnviadukt der Eisenbahnstrecke
RosenbergâLandsberg bezogen. Diese Einheit verminte einige StraĂen und sprengte drei andere Viadukte der Strecke
KreuzburgâLoben. Ebenfalls am 17. Januar hatte Pfarrvikar Jendrzejczyk beschlossen, die wertvollsten GegenstĂ€nde,
die sich im kirchlichen Besitz befanden, in Sicherheit zu bringen. Am Nachmittag des gleichen Tages hatte er
zusammen mit der Pfarrhalterin Frl. Wieczorek zwei Kisten vorbereitet, in welche beide u.a. eine silberne Monstranz
aus dem 18. Jahrhundert sowie alte goldene Kelche legten. In eine der Kisten tat Pfarrvikar Jendrzejczyk ein SchriftstĂŒck mit Informationen und Beschreibungen des Inhalts sowie des Anlasses fĂŒr das Verstecken der
GegenstĂ€nde. Mit Hilfe von Baumeister Gronau, dessen Maurers und des KĂŒster Jagusch wurden die Kisten in der
Krypta der Augustinerchorherren in der St. Michaeliskirche untergebracht. Auf die Bitte des Priesters hin verpflichteten
sich die Anwesenden zum Schweigen. (Diese Kisten wurden Ende der 40er Jahre unter recht eigenartigen UmstÀnden
durch Herrn S.B., verantwortlich fĂŒr die EnttrĂŒmmerung von Rosenberg, gefunden. Ob jedoch alle durch den Priester
Jendrzejczyk versteckten GegenstÀnde wieder in den Besitz der Kirche gelangten, ist nicht bekannt. Die erwÀhnte Monstranz sowie die alten Kelche sind erhalten geblieben.)
Am Donnerstag, dem 18. Januar, zeigten sich auf dem Gebiet des damaligen Kreises Rosenberg die ersten
russischen MilitÀreinheiten. Ein SpÀhtrupp der Russen gelangte in die Umgebung Rosenbergs und versuchte ausfindig
zu machen, wie viele Soldaten in der Stadt stationiert waren. Die SpÀher wurden jedoch in der NÀhe der St.
Annakirche am EisenbahnĂŒbergang erschossen. Feldwebel Komlew und Unteroffizier Anankin waren wahrscheinlich
die einzigen Soldaten der Roten Armee, die wĂ€hrend der âBefreiungâ Rosenbergs durch deutsche Soldaten erschossen wurden.
Am Morgen des nÀchsten Tages (am Freitag, dem 19. Januar 1945) verlieà die Gruppe der deutschen Wehrmacht
Rosenberg. Ein Teil der Mitglieder des Volkssturms kehrte zu den Familien zurĂŒck. Jedoch aus Angst vor der
ErschieĂung wegen Fahnenflucht verlieĂen die Betroffenen Rosenberg noch am gleichen Tag. Am Nachmittag gab es
in der Stadt keine deutschen MilitÀreinheiten mehr, lediglich versprengte einzelne Soldaten zogen in westliche Richtung.
Zur hl. Messe um 12.00 Uhr kamen nur wenige Menschen, denn die Stadt war schon fast entvölkert. Einige waren
noch unentschieden, ob sie die Heimat verlassen sollten, sich einem unbekannten Schicksal hingebend, oder in
Erwartung eines unsicheren Morgens bleiben. Priester Jendrzejczyk und Pfarrhalterin Frl. Wieczorek beschlossen, auf
FahrrÀdern nach Oppeln zu fahren. Jedoch baten viele Leute den Priester in der Stadt zu bleiben. Die Bewohner von
Rosenhain (ein Teil des heutigen Grodzisko) wandten sich an den Priester mit der Bitte, in der St. Rochuskirche eine
hl. Messe zu lesen. Da beschloss er zu bleiben, und er hat â wie er sagte âdiesen Entschluss nie bereut.
WĂ€hrend der Schlittenfahrt zur St. Rochuskirche ĂŒberflogen gegen 14.35 Uhr russische Flugzeuge den Weg. In der
Ferne hörte man SchĂŒsse. GlĂŒcklich erreichte der Priester die Kirche und zelebrierte die hl. Messe. Alle empfingen die
hl. Kommunion, und nach der Messe verabschiedete sich jeder von jedem. Danach kehrte der Priester in Leid und Trauer zur Pfarrei in die Stadt zu FuĂ zurĂŒck. âDas war ein trauriger Heimweg. Es war bereits dunkel und grimmig kalt.
Wir trafen keinen Menschen, in den Fenstern brannte kein Licht, es war eine tote Stadt. Nur in der Polizeistelle am
Ring brannte noch Licht. Es lĂ€sst sich heute nicht mehr wiedergeben, wie es einem zu Mute war. Hilflos, wehrlos und machtlos sahen wir dem entgegen, was jetzt auf uns zukam.â
Am Samstag, dem 20. Januar hörte man vom frĂŒheren Morgen an SchĂŒsse aus Richtung Bodzanowitz. Allein dort
fanden erhebliche KĂ€mpfe um die âBefreiungâ des Rosenberger Landes statt. Gegen 6.30 Uhr fuhren 16 deutsche
Panzer durch Rosenberg hindurch, welche sich weiter in Richtung Oppeln bewegten. Die Bewohner umliegender Dörfer
flĂŒchtete in den Wald, in der Hoffnung, ihr Leben zu retten. Um 7.00 Uhr wurde in der St. Michaeliskirche eine Messe
abgehalten, an der alle damals in der Stadt verbliebenen Einwohner teilnahmen (etwa 360 Personen). Nach der Messe
verabschiedeten diese sich weinend und in tiefer Trauer voneinander. Ein GroĂteil der Teilnehmer der Messe verlieĂ
nach deren Ende die Stadt in Richtung Westen mit durchfahrenden MilitĂ€rfahrzeugen oder Fuhrwerken. Am Nachmittag blieben nur noch etwa 125 Personen in der Stadt. Alle zogen in die Keller, in groĂer Anspannung und
Erwartung dessen, was auf sie zukommen sollte.
Priester Jendrzejczyk erinnert sich: âAm Vormittag besuchte ich noch das Krankenhaus und nahm das Allerheiligste
aus der Kapelle hinĂŒber in die alte Kirche, die ja in der NĂ€he des Pfarrhauses stand. Die Schwestern des Krankenhauses (BogosĆawa, Parisia und Fabiola) waren allein, die Kranken waren alle schon fort. Ich bat die
Schwestern, zu mir ins Pfarrhaus zu kommen, damit sie und wir nicht alleine wÀren. Sie kamen am Nachmittag mit
einigen Hausangestellten und wir richteten uns im Keller ein, um darin die Nacht zu verbringen. Um 15.30 Uhr hörte ich
Moskauer Rundfunk: âUnsere ruhmreiche Rote Armee hat heute die deutsche Reichsgrenze ĂŒberschritten und ist weiter im Vormarsch.â Danach fiel der elektrische Strom aus.â
Die ersten russischen Soldaten der 9. Luftlandedivision im 33. Infanteriecorps, Befehlshaber Oberst P. Szumiejew,
General N. Lebiedienko und der zur 5. Armee gehörende General A. ƻadow waren gegen 16.45 Uhr vor Rosenberg
erschienen. Eine halbe Stunde spÀter wurde aus Richtung Rosenhain ein Artilleriegeschoss in Richtung Corpus Christi
Kirche abgefeuert, welches den Kirchturm nur unwesentlich beschÀdigte. (Diese kleine Kerbe war noch vor kurzem
sichtbar.) Der Schuss sollte eventuelle Beobachter oder ScharfschĂŒtzen vertreiben. Dabei gab es zu diesem Zeitpunkt
keine deutschen Soldaten mehr in Rosenberg. Die russischen Soldaten marschierten gegen 17.55 Uhr aus Richtung
Gnadenkirch (Heute Ćomnica) kommend in die Stadt ein und besetzten sie ohne Kampf. Viele der Soldaten waren schon betrunken und einige konnten sich kaum auf den Beinen halten.
Die Befreier betraten den Ring von der Schönwalder StraĂe (heute KoĆciuszki) und der StraĂe der SA (heute Armii
Krajowej) her, umrundeten diesen und begannen eine groĂe SchieĂerei aus Anlass der Eroberung einer deutschen
Stadt. WĂ€hrend dieses SchieĂens starben zwei russische Soldaten, erschossen durch ihre eigenen Kameraden. Die
SchieĂerei hörte schlagartig auf, als nĂŒchterne russische Einheiten in die Stadt einmarschierten â Angehörige der 9.
Luftlandedivision. Nachdem gegen 18.30 Uhr dieses Chaos beendet war, begann die PlĂŒnderung der Stadt, was ja
wĂ€hrend Kriegshandlungen eine nicht ungewöhnliche Sache ist. WĂ€hrend der PlĂŒnderung der ĂŒberwiegend gut
versorgten Rosenberger GeschÀfte war festzustellen, dass alle Soldaten die GeschÀfte durch die Fenster betraten,
obwohl die TĂŒren teilweise offen standen. Als sich gegen 20.00 Uhr ein GroĂteil der âBefreierâ in den Wohnungen und
GeschÀften einlogiert hatte, kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe von Offizieren und den
Unteroffizieren. Anlass der MissverstĂ€ndnisse waren die Leichen von zwei Unteroffizieren und zwei Offizieren. Auf der GroĂen Vorstadt brannten die ersten HĂ€user, jemand spielte auf der Ziehharmonika.
Diejenigen, die in Rosenberg verblieben waren, verbrachten die Zeit im Gebet. Im Pfarrhaus betete man bis zum
Morgen den Rosenkranz und unterbrach diesen nur, als sich jemand an der TĂŒr zu schaffen machte.
Pfarrvikar Jendrzejczyk erinnert sich: âAm frĂŒhern Morgen des Sonntags (dem 21. Januar) polterte es an der
PfarrhaustĂŒr. FrĂ€ulein Wieczorek ging öffnen. Vor ihr stand eine Streife russischer Soldaten, die die HĂ€user
durchsuchten wollten. Wir mussten alle aus dem Keller heraufkommen, die Schwestern, die anderen Frauen und ich
als einziger Mann: âHahn im Korbeâ â hĂ€tte man sagen können, aber mir war nicht zum KrĂ€hen zu Mute! Als ich die
Treppe hochkam, richteten sich 4 Gewehre auf mich, ich musste die HĂ€nde hochheben, und der AnfĂŒhrer kam auf
mich zu und durchsuchte mich. Aus einer meiner Taschen zog er den Rosenkranz heraus und fragte, was das sei. Beim Anblick des Rosenkranzes fand ich meine Sprache wieder und sagte ihm in polnischer Sprache, dass ich
Priester bzw. Pope wĂ€re. Er verstand und sagte âDobraâ. Und die Gewehre senkten sich. Er verlangte fĂŒnf Flaschen
mit Schnaps; ich konnte ihm nur Messwein geben. Und die Streife zog von dannen... Nach diesem ersten Schreck versammelten wir uns in meinem Zimmer, um dort die hl. Messe zu feiern ohne Messgewand auf meinem Tisch.â
Nach der Messe besuchten den Pfarrvikar noch unzĂ€hlige Soldaten. Der Geistliche erinnert sich: âDoch dann ging es
los, wie in einem Taubenhaus: Russen kamen herein und gingen hinaus, und jeder nahm sich mit, was ihm gefiel:
unsere Uhren, meinen Radioapparat, meine Schreibmaschine und alles, was nur essbar oder trinkbar war. Einer hatte
es auf mein Fahrrad abgesehen, doch stellte er fest, dass in dem einen Rad zu wenig Luft war. Er drĂŒckte mir die
Luftpumpe in die Hand, und ich musste in mein Fahrrad Luft einpumpen, damit er darauf fahren konnte. Um meinen
Arbeitseifer zu unterstĂŒtzen, stand er neben mir und fummelte mit der Pistole vor mir herum. Ich dachte bei mir: âDu
Kerl, wenn ich dich an die Wand schmeiĂen könnte, wĂ€re mir wohler.â Dann musste ich ihm einen Sack bringen, in
den er alles verstaute, was er sich bei mir und von mir ausgesucht hatte. SchlieĂlich musste ich ihm noch Bindfaden
bringen und den Sack auf meinem Fahrrad festbinden. Dann durfte ich dem Herrn das Rad noch vor das Pfarrhaus
bringen, und nun rauschte er mit meinem Fahrrad auf Nimmerwiedersehen von dannen. So konnte ich den ganzen Tag nur zusehen, wie mein Eigentum den Besitzer wechselte. Einen Uhrenladen hĂ€tte man haben mĂŒssen, um die
WĂŒnsche aller zu erfĂŒllen.
Ich habe an diesem Tage (21.01. - AP) auch höfliche Russen kennergelernt. Es kamen drei russische Offiziere (u.a. war es Oberst Szumiejew - AP) und baten uns, ihnen von erbeuteten Eiern RĂŒhrei zu machen. Ich musste mit ihnen
essen â sie waren natĂŒrlich misstrauisch, denn das Essen könnte ja vergiftet sein. Dabei unterhielten wir uns, so gut
es ging: russisch, polnisch und deutsch. Der eine Offizier sah auf meinem Schreibtisch eine Landkarte von
Oberschlesien und bat mich, sie ihm zu schenken. Ich sagte zu ihm, dass ich ihn doch nicht hindern könnte, wenn er sie einfach nÀhme. Nun, das wollte er nicht. Ich sollte sie ihm schenken, was ich dann auch tat.
Ein anderer Offizier sagte mir â er war Jude â dass er sich vorgenommen hat, jeden Deutschen zu töten, wenn er nach
Deutschland kĂ€me, als Rache fĂŒr die Ermordung seiner jĂŒdischen Angehörigen. âJetzt bin ich hier, und ich kann nicht.â
Diese Offiziere bedankten sich sehr höflich fĂŒr das Essen und verabschiedeten sich freundlich.â
Am Nachmittag war der GroĂteil der russischen Soldaten schon betrunken. Man veranstaltete am Ring ein
TanzvergnĂŒgen. In der Ganzen Stadt hörte man Akkordeon und Ziehharmonika. Die Musik und den Tanz begleiteten
selbstverstĂ€ndlich SchĂŒsse. Einer der Soldaten schoss der Skulptur der Muttergottes den Kopf ab und anschlieĂend
die HĂ€nde der Statue, die seit 1697 auf dem Rosenberger Ring steht. Andere plĂŒnderten weitere Wohnungen und nahmen mit, was ihnen in die HĂ€nde fiel.
Der Zusammenstoà zweier unterschiedlicher Kulturen brachte manche KuriositÀt mit sich. Ein Soldat bspw. besuchte
alle HÀuser und schraubte die WasserhÀhne ab. Seinen Kameraden erklÀrte er, dass er sie nach Hause mitnÀhme,
um sie den Nachbarn zu verkaufen; er verbinde sie mit der Wand und bei allen wĂŒrde Wasser in den Wohnungen sein,
so wie es in Deutschland ist. Eine andere groĂe Sensation fĂŒr die Russen (genau zu sagen: fĂŒr die Ukrainer) waren
EinmachglÀser. Fasziniert waren sie auch von den Uhren. Besonders von den Armbanduhren, die so leicht zu tragen
waren. Ein aufgebrachter Soldat, der verspÀtet im UhrmachergeschÀft eintraf und nur noch Wanduhren antraf, erschoss
seinen Kameraden, weil dieser nicht mit ihm teilen wollte. SelbstverstÀndlich ist so eine Tat sofort bestraft worden. Der
Soldat wurde am Tatort erschossen. In gleiche Weise starben zwei Soldaten auf dem âFeld der Ehreâ wĂ€hrend der âBefreiungâ von Rosenberg. Ein anderer, wahrscheinlich der Unteroffizier Muranow, fand
ein Motorrad, mit dem er im betrunkenen Zustand in der Stadt verrĂŒckt spielte. Als er jemanden anfuhr, begann die Jagd nach ihm. Aber man fand ihn nicht. Einige Tage spĂ€ter erwies sich, dass der
Unteroffizier in der NĂ€he der Wirtschaft der Familie Buchta lag. Er verunglĂŒckte in betrunkenem Zustand tödlich auf dem Motorrad.
Die russischen Soldaten entdeckten in den umliegenden Brennereien (u.a. in SchoffschĂŒtz und Bodzanowitz)
Unmengen von Spiritus. Die Rosenberger Brennerei hatte keine so groĂen VorrĂ€te. Zwischen den Russen, die den
Spiritus verteilten und transportierten, kam es vielfach zu Streitigkeiten und SchlĂ€gereien, die ĂŒberwiegend tragisch
endeten. Nach nicht nachgeprĂŒften Informationen, sollen im SpiritusbehĂ€lter sechs russische Soldaten ertrunken sein.
Die Toten oder besser gesagt die Ertrunkenen wurden nach Rosenberg gebracht und vergröĂerten die Zahl der auf Rosenberger Erde âgefallenenâ.
Es kamen nicht nur Rotarmisten um, sondern auch Angehörige der Zivilbevölkerung. Gegen Abend des 21. Januar
wurden zwei Frauen erschossen, die aus Angst vor einer Vergewaltigung vor den Soldaten flohen. Einige Personen,
etwa fĂŒnf oder sechs, verbrannten in ihren HĂ€usern. Jetzt ereigneten sich die ersten schweren Gewalttaten:
Dramatische Ereignisse spielte sich im Hause von Franz Cichos auf der Adolf-Hitler Strasse (jetzt Krasickiego) ab, wo
sich zehn Personen aufhielten. Es waren das die Familie Cichos mit zwei Töchtern, Frau Clausner (Czech) mit zwei
Söhnen, Paul Nowak mit Sohn Siegfried, sowie Herr Josef Mikosch. Eine Beschreibung der Vorkommnisse, die sich in
der Zeit vom 21. bis 29. Januar dort abspielten, ist bis heute nicht möglich. Die Nacht vom Sonntag auf den Montag
war schrecklicher als die vorangegangene. Reihenweise brannten die HĂ€user, und betrunkene Soldaten schossen Salut dazu. Zu dem Zeitpunkt nahm wohl niemand von den Bewohnern Rosenbergs an, dass das Schlimmste noch
bevorstand.
Am Montag, dem 22. Januar wurde ein Austausch des MilitÀrs vorgenommen. Die erste Frontlinie zog nach Westen
weiter, und aus dem Osten rĂŒckten sogenannte SĂ€uberungseinheiten nach â ein Abschaum der Gesellschaft: Es
waren StrĂ€flinge, die Stalin aus den GefĂ€ngnissen lieĂ, um âbis zum letzten Blutstropfen zu kĂ€mpfenâ. Morgens wurde
das Rathaus total zerstört und es loderten neue Feuer auf. Die Rosenberger Kirchen wurden jedoch nicht angerĂŒhrt.
Pfarrvikar Jendrzejczyk beschloss einen Rundgang durch die Stadt zu machen, um den Verbliebenen, wenn sie ihn
brauchten, Trost zu spenden. Gegen Abend, nach seiner RĂŒckkehr ins Pfarrhaus, war er sehr ĂŒberrascht, was er im Inneren vorfand. âAlle Kleidung war weg, alle WĂ€sche war weg; im Schlafzimmer sah ich nur Federn liegen, BettwĂ€sche
und Inletts waren weg. Mein BĂŒcherschrank war leer, die BĂŒcher lagen verstreut am FuĂboden...â Die
Ordensschwestern waren ins Krankenhaus zurĂŒckgegangen und fanden dort das Gleiche vor. Sie erhielten eine Bleibe
im Obergeschoss des Krankenhauses, weil die anderen RĂ€ume durch einen russischen Offizier â eine Frau â âoffiziellâ ĂŒbernommen wurden.
Nachdem sich der Pfarrvikar vergewissert hatte, dass den Schwestern nichts zugestoĂen war, kehrte er zum
Pfarrhaus zurĂŒck. Beim Eingang ins Haus stellte er Benzingeruch fest und sah dann das brennende Sofa. Das Feuer
breitete sich blitzartig aus. Ăber Nacht brannte das Pfarrhaus restlos ab. Es wurden unersetzbare UrkundenbĂŒcher,
PfarreischriftstĂŒcke, wertvolle PortrĂ€ts Rosenberger Pfarrer und der PrĂ€laten des Augustinerklosters vernichtet. Ein Teil
der Akten war jedoch vorher schon in die St. Michaeliskirche gebracht und dort versteckt worden, u.a. im Turm in
Nischen des DachfuĂbodens, sowie in der Krypta der Augustinerchorherren. (Alle diese GegenstĂ€nde, vor allem die
RechnungsbĂŒcher der Pfarrei - die Ă€ltesten waren aus dem 18. Jahrhundert â waren spĂ€ter noch vorhanden, aber ein
GroĂteil wurde nach dem Krieg gestohlen. Heute sind lediglich abgerissene Dielen des FuĂbodens und leere
Aktenordner auf dem Speicher der St. Michaeliskirche geblieben. Es verblieben auch die Akten ĂŒber das Inventar der Kirchen sowie die Korrespondenz der Pfarrer aus dem 19. Jahrhundert.)
Weil die Befehlshaberin des Krankenhauses nicht damit einverstanden war, dass der Pfarrvikar dort eine Bleibe
bekam, fand dieser eine Unterkunft im Hause des 70jÀhrigen Frl. Maciejok, das sich damals in der NÀhe der heutigen B.-Prus-Strasse befand.
In der gleichen Nacht versuchten neu angekommene Einheiten der russischen Armee das Krankenhaus anzuzĂŒnden.
Ohne Wissen der Hausherrin des Objektes, löschten die Ordensschwestern Fabiola, Parisia und BogusĆawa, sowie Dr. Frytsch mehrfach das Feuer im GebĂ€ude. Erst nach dem Wecken der Offizierin wurde dem Treiben, das
Krankenhaus anzuzĂŒnden, ein Ende gemacht.
Niemand aber fand sich bereit das Rosenberger Rathaus zu retten, das Àhnlich wie das Pfarrhaus in der Nacht vom 22.
auf den 23. Januar abbrannte. Damals wurden viele Akten der Stadt Rosenberg vernichtet. Worte des Dankes und der
Anerkennung seien hier dem Vorkriegsgeschichtslehrer, Herrn Zeno Kurzeja gesagt, der die wertvollsten Akten der Stadt in Sicherheit brachte. (Ăbereinstimmend mit dem Wunsch dieses Lehrers, wurden nach dem Krieg die
wertvollsten SchriftstĂŒcke, die das 15., 16. und 17. Jahrhundert betrafen, ins Staatliche Archiv zu Breslau ĂŒberfĂŒhrt.
Sie stellen ein reiches Quellenmaterial dar, das uns ermöglicht die Geschichte der Stadt Rosenberg zu erforschen.)
In den ersten vier Tagen verbrannten in der Stadt etwa 210 HĂ€user, die meisten in der
Nacht von Montag auf Dienstag, dem 22. zum 23. Januar (etwa 100).
FrĂŒhmorgens am Dienstag, dem 23. Januar, begann eine Gruppe der SĂ€uberungstruppen mit einem Rundgang durch die Stadt. Es begann der echte Terror: Da die noch stehenden
GebĂ€ude bereits geplĂŒndert waren, wurden die enttĂ€uschten Soldaten wĂŒtend. Ihre Aggressionen entluden sie vor
allem an der verbliebenen Zivilbevölkerung. Besonders brutal wurde mit den Frauen umgegangen. âMan schenkte keiner
Frau eine Ausnahme.â Auch Ă€ltere Frauen wurden zum Opfer, sogar die 70jĂ€hrige Frau Kutzner, die damals im Hause
der heutigen FĂŒrsorgestation K. wohnte. Bis zu ihrem Lebensende konnte sie die erniedrigenden Augenblicke nicht
vergessen, von denen sie auch Bekannten Mitteilung machte ĂŒber âdiese vielen Grobiane, die man nicht Menschen
nennen kannâ. Ăhnlich Ă€uĂerte sich die damals 70jĂ€hrige Frau Vogel, wohnhaft in der damaligen Adolf-Hitler-StraĂe (heute ul. Krasickiego), ĂŒber die âBefreierâ.
Alle Bewohner Rosenbergs und der umliegenden Dörfer wurden einer Verifikation (ĂberprĂŒfung) betreffend ihrer
Staatsangehörigkeit unterzogen. Die Antwort auf die Frage: âWer bist du?â war immer unbefriedigend. Lautete sie
âDeutscherâ, bedeutete dies ein Todesurteil oder Gefangenschaft und Abtransport in die Tiefen Russlands. Wenn
jedoch der Befragte antwortete er wÀre Pole, befahlen ihm die russischen Soldaten, sich in den nÀchsten drei Tagen
nach Polen abzusetzen, dort wo sein Platz wĂ€re. Die Verifikation endete mit der Ankunft des Majors Wladimir Pereckalski, der den Posten des Rosenberger Stadtkommendanten ĂŒbernahm. Zu seinem Amtssitz wĂ€hlte er das
Haus des BĂ€ckers Karl Klosik, dem er befahl sofort die BĂ€ckerei wieder einzurichten.
Schreckliche Zeiten durchlebte nun Pfarrvikar Jendrzejczyk. Im Haus des 70jÀhrigen Frl. Maciejok, bei der er nach
dem Brand des Pfarrhauses eine Bleibe fand, erschienen Russen mit einem Durchsuchungsbefehl der Wohnung. Bei der Durchsuchung des Zimmers unseres Priesters fanden sie in seinem Bett die letzten beiden Flaschen des
Messweines. Diese musste er gleich mit ihnen trinken. Er bettelte so lange, bis sie ihm Âœ Flasche ĂŒbrig lieĂen. Kurze
Zeit spĂ€ter kamen zwei weitere Russen mit einem Hund. Bei der Durchsuchung des Pfarrers fanden sie seinen Personalausweis mit Hakenkreuz. Dieser Besuch endete zum GlĂŒck nur mit einem Fluch, wobei die ungebetenen
GĂ€ste beim Fortgang den Priester âHitlerâ nannten. Gegen Mittag klopfte ein russischer Offizier höflich an die
aufgebrochene TĂŒr von Frl. Maciejok. Er stellte sich vor und bat den Priester, ihm fĂŒr eine Zeichnung Modell zu stehen.
Nach etwa einer Stunde zeigte er dem Geistlichen seine Skizze, bedankte sich herzlich und ging. Die herannahende Nacht war wie die vorhergehende unruhig.
Am nÀchsten Tag, am Mittwoch, dem 24. Januar gegen 7.30 Uhr erschienen in Rosenberg viele Bewohner aus
Kreuzburg, die aus der Stadt vertrieben wurden, und denen man befahl, in den Nachbarorten Unterkunft zu suchen.
Aus den naheliegenden Dörfern begannen die Rosenberger Einwohner allmĂ€hlich in die Stadt zurĂŒckzukehren. Die
russische Kommandantur begann mit dem Verhör der verbliebenen Bevölkerung. Als erster wurde der Geistliche vorgeladen, der sich spĂ€ter erinnert: âEinige Minuten vor 8.00 Uhr wurde ich dem Kommendanten vorgefĂŒhrt, und der
empfing mich sehr förmlich, aber nicht unfreundlich. Zwei Stunden unterhielt er sich mit mir per Dolmetscherin; es war
fĂŒr ihn eine reine Information ĂŒber die Stadt, Einwohnerzahl, ĂŒber Hitler und Deutschland... VerfĂ€nglich wurde es, als
er mich fragte, wer die Stadt angezĂŒndet hĂ€tte. Darauf erwiderte ich: Das wĂŒste ich nicht. Er gab mir seine Erlaubnis,
dass ich in der Kirche Gottesdienst halten könnte und die Toten beerdigen dĂŒrfte. Dann gab er mir noch einen
Passierschein, den mir einige Tage spÀter ein russischer Soldat zerriss; vielleicht konnte er nicht lesen. Dann bat der
Kommandant mich, ihn zum Gestapohaus zu fĂŒhren. Er wollte mit mir dahin fahren auf einem MilitĂ€rauto. Da kam mir
der Gedanke, dieses Auto könnte vierleicht erst in Moskau halten. Und ich sagte zu ihm, es wÀre nicht so weit, wir
könnten zu FuĂ dahingehen. Dort angekommen, war er sehr enttĂ€uscht, denn wir fanden nichts vor, nur leere RĂ€ume!â
Nach der Vernehmung begann der Priester Jendrzejczyk die Toten zu begraben. Man machte ihm zur Auflage, zuerst
die toten russischen Soldaten in einem Massengrab zu beerdigen. (Heute befindet sich an dieser Stelle das Denkmal
der âDankbarkeitâ â zwei Adler symbolisieren die RĂŒckkehr Schlesiens zu Polen. Nach dem Krieg wurden die Leichen exhumiert und auf den russischen Soldatenfriedhof nach Kreuzburg ĂŒberfĂŒhrt.)
In den darauffolgenden Tagen (vom Donnerstag, dem 25. Januar, bis Sonnabend, dem 27. Januar) brannten noch 67
HĂ€user nieder. Jeder Tag glich dem vorangegangen: fortlaufende Gewalttaten, Raub und Totschlag, sowie Feuer waren an der Tagesordnung.
Entsetzlich war der Anblick der Stadt am frĂŒhen Sonntagmorgen, dem 28. Januar. Die
Bewohner Rosenbergs, die zur Messe eilten, waren nicht sicher: Ist es noch Nacht oder schon Tag? Weil viele HĂ€user der Stadt mit Pappe gedeckt waren, stand ĂŒber
Rosenberg eine dicke schwarze Rauchwolke, die keine SonnenÂstrahlen durchlieĂ.
Einige HĂ€user brannten noch, aus anderen abgebrannten quoll dunkeler Rauch. Die Stadt lag im Sterben. Verschont blieben nur: das Landratsamt, das Finanzamt, die
Post, der Bahnhof, das Krankenhaus, das Gericht, die Schulen und Kirchen sowie etwa 350 GebĂ€ude, hauptsĂ€chlich in den AuĂenbereichen der Stadt. UnbeschĂ€digt blieb auch das Haus der KaplĂ€ne,
in welchem die Russen ein Lager fĂŒr die geraubten GegenstĂ€nde einrichteten. Ein GroĂteil der noch verbliebenen HĂ€user und öffentlichen Einrichtungen war demoliert.
Am wenigsten litten die Rosenberger GotteshÀuser. In der Pfarrkirche war sogar die Weihnachtskrippe noch ganz.
Verschwunden waren alle Altardecken, Servietten sowie die golden angemalten ZiergegenstĂ€nde. Die TĂŒr zur Sakristei
war gewaltsam aufgebrochen worden, und der Raum glich einem Schlachtfeld. In den SchrÀnken war nichts mehr.
In gröĂerem MaĂe war das Innere der St. Michaeliskirche zerstört. Der Hauptaltar war demoliert und der Tabernakel
aufgebrochen. Die Hostien lagen zertreten und verunehrt auf dem FuĂboden. Die Figuren waren von den Sockeln gestoĂen. Eingebrochen worden ist auch in eine Krypta dieser Kirche, wo ein groĂes Chaos zurĂŒckblieb.
Die Russen betraten die Krypta, welche die Ăberreste von Stiftern und WohltĂ€tern der
Rosenberger Kirchen enthielt. ZurĂŒckgeblieben sind davon einige leere Schnaps- und Spiritusflaschen sowie ein Kochgeschirr.
Die Krypta der Augustiner blieb unangetastet.
Die St. Rochuskirche wurde nicht beschÀdigt. Lediglich im Dach entstanden einige Löcher.
Die St. Annakirche war von auĂen nicht angerĂŒhrt, ebenfalls der Hauptaltar. Die AltĂ€re der Kapellen waren leicht
beschĂ€digt. Die Orgel eignete sich aber zu nichts mehr. Viele Figuren lagen auf dem FuĂboden. Vor dem Hauptaltar
waren Reste eines Feuers, welches von den Russen wahrscheinlich angelegt worden war, um sich zu wÀrmen. Heute
können wir kĂŒhn sagen, dass die Rettung dieses schönen Gotteshauses an ein Wunder grenzt, denn ein Feuer in dem Kirchenbau sollte normalerweise sicher zum Brand fĂŒhren.
Die evangelische Kirche wurde demoliert.
Am Samstag, dem 27. Januar, tauchten in Rosenberg erste Gruppen von Personen auf, die ganz Schlesien als
Chance zur Bereicherung ansahen: Gewalttaten, Raub, Totschlag und Brandschatzung nahmen zu. Getötet wurden
ebenfalls russische Soldaten, denen man Waffen und Uniformen abnahm. Auf diese Weise wurden in Rosenberg und
der nÀheren Umgebung 10 oder 11 Russen ermordet. Wie aus Berichten von Zeugen hervorging, traten diese Gruppen
ĂŒberwiegend in den Abendstunden und in der Nacht auf. Die Personen unterhielten sich kaum miteinander. Sie drangen in die HĂ€user ein, die noch nicht abgebrannt waren, und nahmen noch vorhandene GegenstĂ€nde mit.
AnschlieĂend begossen sie die GebĂ€ude mit Benzin und zĂŒndeten sie an. Die Einwohner von Rosenberg versuchten,
ihr verbliebenes Hab und Gut zu retten, aber der Widerstand der Brandschatzer war auĂergewöhnlich. Herr Nowak, der
sich auf Dachböden der HÀuser der heutigen Pieloka Strasse (neben dem Pressekiosk) versteckte, erinnert sich, dass er sein Haus dreimal löschte, jedoch beim vierten Mal gelang es ihm nicht mehr.
Die Banden wĂŒteten ebenfalls auf den Dörfern, raubten Lebensmittel, Pferde, Rinder und Schweine. Wenn das
russische MilitĂ€r nur einen Teil des Inventars beschlagnahmte (hauptsĂ€chlich Pferde), lies es dem Landwirt zumindest einen Teil der Tiere zurĂŒck. Die Mitglieder dieser Banden aber lieĂen alles mitgehen.
Es gab viele FÀlle, in denen sich die Betroffenen um Hilfe an die russischen StreitkrÀfte in Rosenberg wandten, und
man muss es diesen hoch anrechnen, dass sie der hiesigen Bevölkerung gerne halfen. Priester Jendrzejczyk erinnert
sich, dass die ersten Tage nach der âBefreiungâ nicht so schlimm waren wie die nachfolgenden. Es war entsetzlich. Die Menschen mussten die Russen bitten, dass diese sie vor Polen schĂŒtzen.
Im Archiv der Verwaltung von Olesno ist in verschiedenen Berichten, unter anderem in denen des Landrates Ludwik
Affa (1945) zu lesen, dass sich die Banden mit BetrĂŒgereien und Diebstahl befassten. Eine der Banden, die im MĂ€rz
1945 ĂŒber 100 Personen zĂ€hlte, wĂŒtete im sĂŒdwestlichen Teil des Kreises. Viele Mitglieder der Bande trugen
russische Uniformen. Das TÀtigkeitsgebiet der zweiten Gruppe war der nordöstliche Teil des Kreises Rosenberg. Die
zu dieser Bande gehörenden Mitglieder besaĂen keine Schusswaffen, auch viele von ihnen trugen russische Uniformen. Sie befassten sich ebenfalls mit Betrug und Diebstahl. Sich ihnen Entgegenstellende wurden mit dem
Messer bedroht. Es geschah des öfteren, dass ein Messer von mehreren Personen benutzt wurde, und man konnte
wĂ€hrend der Handgemenge mit den durch russische Kleidung Getarnten die Worte hören: âDawaj noĆŒa!â, das heiĂt auf
deutsch: âGibt mir das Messer!â. Wie aus den vorhandenen Unterlagen hervorgeht, stammten die Leute aus PrzystaĆ,
Praszka und SzyszkĂłw. Heute leben noch viele von ihnen und wissen, was in Rosenberg in der Zeit von Ende Januar bis Mai 1945 geschehen war.
Am Montag, dem 29. Januar wurde Pfarrvikar Jendrzejczyk erneut verhört. Nach dem Verhör wurde ihm aufgetragen,
sofort mit der Beisetzung der noch in den StraĂen liegenden Toten zu beginnen. Dies war nicht eher möglich gewesen,
weil starke Fröste ein Ausheben der GrÀber verhinderten. Bisher waren lediglich die toten russischen Soldaten in einem Massengrab beigesetzt worden.
Am nÀchsten Tag begann Priester Jendrzejczyk zusammen mit Frl. Wieczirek einen Schlitten und einen kleinen
Kinderwagen zu organisieren. Alle Getöteten wurden nun im Stadtgebiet aufgesammelt und in der Leichenhalle auf
dem Friedhof untergebracht. Bei weiteren Arbeiten halfen ihnen Franziska Glatzel sowie der Becker Lukoschik aus
Kreuzburg. Der Boden war damals bis zu 50 cm tief gefroren, und der Aushub der GrĂ€ber ging sehr langsam voran. Priester Jendrzejczyk erinnert sich: âEs war ein grimmiger Winter, der Boden war Âœ Meter gefroren. Ich musste mit der
Spitzhacke erst einmal durchstoĂen, bis ich auf ungefrorenen Boden kam. Dann konnte ich von unten aushöhlen, und
die Arbeit ging etwas leichter vonstatten... Zweimal in der Woche beerdigten wir die Toten ohne Sarg, nur in Decken
oder Matten gehĂŒllt, und gruben wieder weiter an dem Massengrab, das schlieĂlich eine LĂ€nge von etwa 30 m hatte
und insgesamt 45 Tote beherbergte: Verstorbene, Erschlagene, Erschossene, MÀnner, Frauen und auch Kinder. (Das Grab befindet sich hinter den GrÀbern der gefallenen deutschen Soldaten des 2. Weltkrieges.) Als erste brachten wir
zum Friedhof Hedwig Nowak, etwa 40 Jahre alt, von der Alten SchönwĂ€lder StraĂe. Wir haben sie in ihren Bett erschlagen aufgefunden, zusammengekrĂŒmmt und erstarrt, die Stirn ganz blau, wohl mit dem Gewehrkolben
erschlagen. Als zweiten fanden wir Wilhelm Vogel von der Kleinen Vorstadt; vor seinem Haus lag er erschossen auf
der StraĂe. Er hatte wohl vor der Sperrstunde sein Haus verlassen und ist erschossen worden. Er war am Erdboden
festgefroren, und ich musste ihn mit dem Spaten von der Erde lösen. Dann fanden wir noch 3 Unbekannte am
Bahnhof und auf der BahnhofstraĂe, erschossen. Am erschĂŒttersten war der Anblick im Hofe bei Busche (Bocianek)
auf der Adolf-Hitler-StraĂe. Dort lagen, in der Nacht des 29. Januar mit Kopfschuss erschossen: Frau Clausner mit
ihren etwa 14/15 jÀhrigen Söhnen Gerhard und Heinz, Herr Paul Nowak mit Sohn Siegfried und Herr Josef Mikosch.
Sie waren in der Nacht aus dem Haus Cichos von Russen herausgeholt worden und im Hofe Busche erschossen
worden. ... Und warum wurden sie erschossen? Keiner von ihnen war Nazi. Im Gegenteil. Ein furchtbarer Verdacht ist
mir mitgeteilt worden, aber mir fehlt jeder Beweis, und Herr Cichos konnte mir auch nichts Genaues sagen.â
AuĂer der hiesigen Bevölkerung kamen auch viele Fremde um. Priester Jendrzejczyk weiter: âEs sind darunter auch
viele Unbekannte, die wir auf den StraĂen aufgeklaubt haben. Einen Unbekannten haben die Russen ĂŒber den Zaun
geworfen, nachdem sie ihm zu Tode gefahren hatten, auf besonders grausame Art. Sie hatten ihn mit den FĂŒĂen an
ein MilitĂ€rauto gebunden, so dass er mit dem Kopf auf dem StraĂenpflaster aufschlug. Mit dem Strick um seine FĂŒĂe liegt er nun in diesem Massengrab.â
Bis zum 1. Juni 1945 wurden 92 Personen beerdigt (Zivilisten und Soldaten). Viele Tote wurden in PrivatgÀrten oder
WÀldern begraben, u.a. in den WÀldern zwischen Rosenberg und Rosenhain. MassengrÀber befinden sich auch auf
den Friedhöfen von St. Anna und der St. Rochuskirche (auf der SĂŒdost-Seite der Kirche). In Rosenberg selbst kamen
18 oder 19 Russen ums Leben, aber nur 2 wurden durch deutsche Soldaten erschossen. Im Massengrab befanden
sich jedoch 43 Leichen, die wĂ€hrend der âBefreiungâ der Stadt gefallen waren. Die fehlende Anzahl von 24 â 25
Personen sind Soldaten, die aus den umliegenden Ortschaften gebracht wurden. Darunter sind auch die Mitglieder der
Banden, die im Umland der Stadt durch die Russen erschossen wurden. Weil sie Uniformen der Roten Armee trugen,
sind sie zu den âAuf dem Felde der Ehreâ Gefallenen zugerechnet worden. Es ist anzunehmen, dass in dem
Massengrab die Leichen von acht der Verkleideten beerdigt wurden. Aber viele Russen, die in den umliegenden Dörfern
umkamen, wurden von ihren eigenen Offizieren erschossen, weil sie plĂŒnderten und sich fremdes Eigentum aneigneten. Wahrscheinlich ereigneten sich solche FĂ€lle auch in Rosenberg.
Am 14. Februar wurden Bekanntmachungen sichtbar, aus denen hervorging, dass sich alle MĂ€nner zwischen 16 und
50 Jahren bei der russischen Kommandantur melden sollten. Kurz darauf sind alle (etwa 40 Personen) aus Rosenberg
weggefahren worden, um nie mehr zurĂŒckzukehren. Es wird angenommen, dass sie nach Sibirien gebracht wurden.
Dank der Hilfe eines russischen Offiziers (eines Juden), der sich an jedem Deutschen rÀchen wollte, aber nicht töten konnte, wurde der Priester gerettet und durfte in der Stadt bleiben.
Am 24. MĂ€rz kam eine Operationsgruppe von Kattowitz nach Rosenberg, die den Auftrag hatte, in der Stadt eine
Volksregierung zu bilden. Der erste Nachkriegs-Kreisvorsteher (Landrat) von Olesno war Ludwik Affa (MĂ€rz bis Oktober 1945).
In der ersten Aprilwoche 1945 fand eine offizielle ĂberprĂŒfung der Staatsangehörigkeit der hiesigen Bevölkerung statt.
Bis zum Ende des ersten Teils dieser Aktion, d.h. bis Ende Juli wurden 778 vorlÀufige Bescheinigungen der polnischen
StaatsbĂŒrgerschaft ausgehĂ€ndigt. FĂŒr 460 Personen (Stand: Ende Juni 1945) wurde ein Aussiedlerlager eingerichtet.
Im nÀchsten Jahr sind im Kreis Rosenberg noch einige solcher Lager entstanden. Die Bewohner Rosenbergs und der
umliegenden Ortschaften, die als Deutsche angesehen wurden, sind in zwei Lagern untergebracht worden. Eines
dieser Lager befand sich in der NĂ€he von Albrechtsdorf, dagegen ist die Lokalisierung des zweiten Lagers heute nicht
mehr möglich. Die LebensverhĂ€ltnisse in den Lagern waren fĂŒr die Inhaftierten sehr schwer. Sie wurden auf einem
kleinen eingezÀumten GelÀnde unter freiem Himmel gehalten. Lebensmittel wurden ihnen nicht gegeben. Die Gefangenen waren auf die Gnade der umliegenden Bevölkerung angewiesen, die ihnen unter Einsatz ihres Lebens
Grundnahrungsmittel ĂŒber die EinzĂ€unung warfen.
In den Lagern brachen Krankheiten aus. Erst die Intervention eines der Offiziere brachte eine kleine Besserung der
Lebensbedingungen der Gefangenen. Priester Jendrzejczyk wurde die Erlaubnis erteilt, jeden Sonntag eine hl. Messe
zu lesen, wÀhrend derer es ihm auch erlaubt war, die deutsche Sprache zu gebrauchen. Dank der Hilfe des
befreundeten Offiziers gelang es dem Priester, einige Gefangene aus dem Lager herauszuschaffen. Ende Juni, Anfang
Juli 1946 wurden die ersten Transporte der Deutschen aus Rosenberg nach dem Westen in Viehwagons durchgefĂŒhrt.
WÀhrend dieser Umsiedlung kam es wiederum zu Tragödien, u.a. verstarb einer der Zwillinge, welche die Ehefrau des letzten Vorkriegslandrates, Frau Ursula Jenkner im Lager geboren hatte.
Am 15. April 1945 erreichte der erste Transport der Repatrianten aus dem Gebiet âHinter dem Bugâ den Kreis
Rosenberg. Es gab neue Tragödien: Die im Kreis operierenden Banden machten auch vor dieser Bevölkerungsgruppe
keinen Halt. Die EigentĂŒmer der Gehöfte, die inzwischen zurĂŒckkehrten, waren zudem ĂŒberrascht, dass ihre Gehöfte
schon bewohnt waren. Zu einem fĂŒrchterlichen ZusammenstoĂ kam es im Juli, als aus Gebieten um Tschenstochau
Personengruppen eintrafen, die gefĂ€lschte Zuteilungen fĂŒr Anwesen hatten, welche schon lĂ€ngst bewohnt waren. Auf
dem RĂŒckweg rĂ€chten sich die Betroffenen sowohl an der hiesigen Bevölkerung als auch an den Repatrianten aus dem
Osten. Erneut loderten Feuer auf. In Rosenberg selbst wurden bis Ende 1945 363 Repatrianten und Umsiedler angesiedelt.
Die hiesige Bevölkerung wurde, oft unter verschiedenen VorwÀnden, zum Verlassen der Heimat gezwungen. Auch
Pfarrvikar Jendrzejczyk musste im Juni 1946 Rosenberg verlassen. Entschieden hatte darĂŒber der damals amtierende
Landrat Jerzy Bartocha (1945 â 1950). Die Funktion des Pfarrers hatte zu diesem Zeitpunkt schon einige Monate JĂłzef
NiesĆony (1945 â 1957) inne, der mit Konsequenz und Beharrlichkeit alles ausrotten wollte, was deutsch war, wobei er auch an der Vernichtung von alterwĂŒrdigen und wertvollen GegenstĂ€nden beteiligt war.
Die lokale Volksobrigkeit behandelte die angestammte Rosenberger Bevölkerung als Feind. Es begannen
Festnahmen, nicht nur von Deutschen und Schlesiern, sondern auch von Polen. Verfolgt wurden ebenfalls Mitglieder
der Landesarmee (AK), die sich im westlichen Teil des Kreises versteckten. Mit einer ungewöhnlichen Grausamkeit
trat der Chef der Rosenberger Sicherheitspolizei WĆadysĆaw Szymanek (Julius Halbreich) hervor. Es waren schlimme Zeiten fĂŒr alle Bewohner Schlesiens, am meisten litt jedoch die einheimische Bevölkerung.
So stellt sich die Wahrheit ĂŒber die sogenannte âBefreiungâ von Rosenberg dar. Die gebĂŒrtigen Einwohner dieser Stadt
sind befreit worden â von WĂŒrde, Ehre und Vermögen. Viele mussten ihr kleines Vaterland verlassen und die, die
geblieben waren, wurden davon ĂŒberzeugt, was die eigentliche, die âechte Wahrheitâ ist. Das zu 80% niedergebrannte und ausgeplĂŒnderte Rosenberg trat in den neuen, traurigen Abschnitt seiner Geschichte.
Andreas Pawlik (1992)(aus dem Polnischen ĂŒbersetzt von Klaus Willmann, bearbeitet von Michael Schlese
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