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Leopold Ignatius Labor

Leopold Ignatius Labor wurde am 27. Oktober 1703 in einer wohlhabenden bürgerlichen Familie, deren Ahnen sich in Rosenberg am Ende des 16. Jahrhunderts angesiedelt hatten, geboren. An einem Sonntag, dem Tag nach der Geburt (28. Oktober), wurde er in der dem Heiligen Erzengel Michael geweihten Pfarrkirche durch den damaligen Pfarrer, Christoph Xaver Biadon (1693 – 1708), getauft. Als Leopold vier Jahre alt war, verlies die Familie Labor Rosenberg - auswandernd in ein Dorf in der Nähe. Anlass dafür war die in Rosenberg vom 18. Februar bis 3. Dezember 1708 wütende Pestepidemie. Kurz nach dem Ende der Pest, wahrscheinlich im Frühjahr 1709, kehrte die Familie Leopolds nach Rosenberg zurück und dankte gemeinsam mit anderen Familien Gott dafür, dass sie überlebt hatte. Eine Dankbarkeit, die sich unter anderem in dem Bau einer Kirche manifestierte, die dem heiligen Rochus geweiht wurde – dem Patron der Infektionskranken[1] (im Jahre 1710).

Diese Ereignisse prägten sich tief in das Gedächtnis des jungen Leopold ein und beeinflussten ohne Zweifel sein weiteres Leben und die Absicht, Gott zu dienen und dem Nächsten zu helfen. So begann er seine theologischen Studien in Breslau, die er mit summa cum laude im Jahr 1730 beendete. Die festliche Aufnahme Leopolds in den Priesterstand fand am Samstag, dem 23. September diesen Jahres statt. Den Akt des Haarescheehrens (Tonsur) leitete der Bischoff von Breslau, Franz Ludwig (1683 – 1732). Nach einem einjährigen Praktikum in Breslau kehrte Leopold nach Rosenberg zurück und trat in das dortige Augustinerkloster ein.

Am 13. Dezember 1733 starb sein Vater Jakob, Rosenberger Ratsherr, der für seine Verdienste für die Kirche in der Krypta der Stifter begraben wurde. Bald starb auch die Mutter Leopolds, Justyna. Nach dem Tod der Eltern fand der junge Augustiner Linderung seiner Schmerzen in Gesprächen mit Gott und in der Vertiefung seines Glaubens. In kurzer Zeit las er alle Bücher, die in der Sammlung des Rosenberger Klosters zu finden waren. Er beherrschte verschiedene Sprachen: Polnisch, Deutsch, Latein, Altgriechisch, wahrscheinlich auch Hebräisch und Französisch.

Er war besonders fromm, und einer der Visitatoren des Klosters beschrieb ihn als „perfektes Vorbild, welches würdig ist, den anderen empfohlen und allumfassend nachgeahmt zu werden.“ Der Bischoff von Breslau, Philipp I. Kardinal Graf von Sinzendorf (1732 – 1747) - die besondere Religiosität des Rosenberger Augustiners bemerkend - entsendete 1742 einen Sachverständigen nach Rosenberg, der diskret alle Informationen über Leopold Labor sammelte und „überall über ihn eine sehr gute Meinung fand“. Nachdem er das Urteil des Sachverständigen zur Kenntnis genommen hatte, nominierte der Breslauer Bischoff Labor zum neuen Prior des Rosenberger Augustinerklosters (23. November 1742), und motivierte das durch die „außergewöhnliche Religiosität und solide Ausbildung“ des Nominierten. Der neue Prior legte gegenüber dem Kommissar Ignatius Jeremias Zange in Oppeln am 10. Januar 1743 seinen Eid auf Treue gegenüber den Rechten der Kirche, dem Papst und seinen unmittelbaren Vorgesetzten ab.

Da in Folge vieler Missverständnisse zwischen dem neuen Breslauer Bischoff, Philipp II. Herzog von Schaffgotsch (1748 – 1795), und dem neuen Herrscher Schlesiens, König Friedrich II. von Preußen (1740 – 1786), sich der König das Recht der Benennung der höheren Ämter der Kirche vorbehielt, trat der Rosenberger Propst, Dominik Respondek Leopold Ignatius Labor (1703 - 1755)(vel. Respondt, 1730 – 1748), von seinem Amt zurück. Dieser Rücktritt rief eine unmittelbare Reaktion des preußischen Königs hervor, der als neuem Rosenberger Propst dem nominierten Leopold Labor am 2. Juli 1748 auch den Titel eines Prälaten verlieh. Dagegen protestierte nun der direkte Vorgesetzte des Augustinerklosters in Rosenberg, Vorsteher des Klosters der Augustiner-Chorherren auf dem Sande in Breslau, Franziskus Xaver Rosa (1743 – 1764). Als Bevollmächtigter des Breslauer Bischofs kam er nach Rosenberg und verlangte eine neue und offizielle Wahl des Propstes. In Folge dessen wurde Leopold Labor mit einem Stimmenverhältnis von 7 : 1 am 2. August 1748 zum neuen Rosenberger Propst gewählt.

Man kann sich denken, dass die Gegenstimme dem Franziskus Rosa gehörte, der im Wahlprotokoll feststellte, dass „die Wahl des neuen Propstes der Suggestion und der Forderung des preußischen Königs unterlag“. Praktisch aber waren für die Wahl die persönlichen Eigenschaften des Labor verantwortlich und nicht politische Auseinandersetzungen zwischen der staatlichen und der kirchlichen Macht. Philipp II. akzeptierten deshalb am 10. August 1748 den neuen Rosenberger Propst ohne Widerspruch stimmte aber nicht zu, dass diesem der Titel Prälat verliehen wurde. Diese Absage fand ihren Grund in dem Widerspruch von Franziskus Rosa, der als direkter Vorsteher des Rosenberger Klosters nicht erlauben wollte, dass diese  Pfarrei mit der Ernennung eines eigenen Prälaten quasi selbständig wurde. Faktisch widersprach nun die Anordnung des Breslauer Bischoffs der Bulle von Papst Klemens XII. (1730 – 1740), der am 15. Dezember 1730 den Titel Prälat dem Dominikus Respondek und allen seinen Nachfolgern geschenkt hatte. Gleichzeitig bestätigte der Rosenberger Magistrat unter der Führung des Bürgermeisters Joseph Ferdinand Wildtner (1734 – 1751) den neuen Rosenberger Propst und stimmte ebenfalls mit dem Preußischen König hinsichtlich des Titels Prälat überein (23. August 1748).

Um den Konflikt zwischen dem Franziskus Rosa und Leopold Labor, der zurecht den Titel des Prälaten für sich beanspruchte, zu entschärfen, nominierte schließlich der Breslauer Bischoff den neuen Rosenberger Propst am 8. September 1748 zum Archepresbyter des Dekanats von Rosenberg (kurz gesagt zum Dekan). Diese Nominierung war wiederum nichts außergewöhnliches, denn der Titel „sedes archipresbiteratus Olesnensis“ gehörte den Rosenberger Pröpsten schon seit 1335. Philipp II unterstrich in der Begründung der Nomination „Frömmigkeit, Fleiß, Religiosität und Redlichkeit“ des Rosenberger Propstes, „dem übertragen wird, alles und alle zu behüten“.

Zu den Konflikten, die sich um die Rosenberger Pfarrei ereigneten, äußerte sich mit großer Sorge der Primas von Böhmen, Kardinal Joachim, welcher in Rom weilte und von dort an den Rosenberger Propst einen Brief schrieb (3. Januar 1749). Darin wies er auf die Risiken eines Streites hin, der zur Spaltung der Gemeinde und des Klosters führen könnte. Der böhmische Primas verwies auf die Rechte und Privilegien und erlaubte sich, dem Rosenberger Propst vorzuschlagen, sich allen Weisungen der Kirche zu unterwerfen. Gleichzeitig betonte er aber auch die Würde des Priestertums, welche dem Labor von Gott gegeben sei und die er für die Einheit der Kirche mit großer Verantwortung erfüllen sollte. Nach einem Labor gegenüber wohlwollenden persönlichen Gespräch des Primas mit dem Papst empfahl Kardinal Joachim dem Rosenberger Propst, jeden weiteren Schritt gründlich zu überlegen und mit Gottes Hilfe zu entscheiden.

Während der Amtszeit Labors als Pfarrer erreichte die Rosenberger Pfarrei ihre Blüte. Die Moral der Mitglieder der Gemeinde stieg in dieser Zeit. 1748 bis 1755 kann man zu den bedeutendsten Jahren in der Geschichte des Rosenberger Augustinerklosters zählen. Der Breslauer Bischoff interessierte sich für die Verdienste Labors für die Kirche und führte persönlich eine Visitation der Rosenberger Pfarrei durch, welche am 12. Juni 1750 stattfand. Wie man aus dem Visitationsrapport Phillip II. lesen kann, zählte dieser die Rosenberger Pfarrei zum Kreis der besten Pfarreien, und als Anerkennung für alle Verdienste verlieh  er dem Leopold Labor das Recht zum tragen des Violetten Baretts[2] (eines Prälaten). Die originale Unterschrift von LaborDiese Erlaubnis für die Prälatur war abhängig von der bedingungslose Unterwerfung unter das Breslauer Episkopat. Leopold Labor musste zudem auf das Patronatsrecht über die Kirche des Dorfes Biskupitz verzichten, was einen großen Verlust von Einnahmen aus dem Besitz des Dorfes bedeutete, welches dem Rosenberger Kloster gehörte. Der Bischof nahm außerdem den Titel Prior des Rosenberger Klosters zurück und übertrug dieses Amt Daniel Besling (Prior von 1750 bis 1755, Pfarrer von 1755 bis 1770).

Die Reaktion des nun schon hinlänglich bekannten, direkten Vorgesetzten von Labor, Franziskus Rosa, war nun aber besonders extrem: Er protestierte nicht nur beim Bischoff, sondern auch beim Papst. Aufgrund dieses Verhaltens seines Vorgesetzten, der mit solcher Sturheit gegen die schon bestätigte Verleihung von Privilegien vorging, die der Rosenberger Pfarrei längst zugehörten – entschied Leopold Labor, sich vom Mutterkloster in Breslau total unabhängig zu machen, und er bat den Papst um Nomination für die Infulatur: bezogen auf das Klosterleben entspricht das einem Bischofsamt. Philipp II. verweigerte zweimal die Unterstützung dieses Wunsches (8. und 16. Juli 1752).

Mittlerweile hatte aber der Papst, Benedikt XIV. (1740 – 1758), Kenntnis über die Hintergründe dieser Bitte bekommen, alle Taten des Rosenberger Propstes erfahrend, die wahrscheinlich durch einen Beamten des Erzbischöflichen Ordinariats in Breslau inoffiziell in schriftlicher Form nach Rom gemeldet wurden, und er infulierte wunschgemäß Leopold Igantius Labor am 9. November 1752. Bulle des Papstes Benedikt XIV. zur Ernennung des Leopold Labor zum InfulatusDie Nomination wurde mit folgenden Worten begründet: „Deine Festigkeit im Glauben in Achtung nehmend sowie die Unabänderlichkeit in Deiner Meinung, Deine rechte Bildung, ... Deine Demut gegenüber der Mutter Kirche, ... Deine korrekte Arbeit als Seelsorger, ... (auch) die Bewahrung des Klosters vor der Spaltung, die durch die herätische Lehre Luthers drohte, verleihen wir Dir die Würde des Infulatus der heiligen Kirche...“ Der Papst schenkte dem Rosenberger Propst die dem Infulatus zugehörigen Insignien: die infulierte Mitra[3], Krummstab, Ring, Sandalen und mit dem Kreuz bestickte Handschuhe. Das Recht des Tragens dieser Insignien hatte Labor allerdings zunächst nur auf dem Gebiet des Archepresbyteriates von Rosenberg. 

Außerdem wurde der neue Infulatus verpflichtet, eine Gabe in der Form von 1.500 Florentinern zu bringen, die es jedem Nachfolger des Rosenberger Propstes ermöglichte, diesen Titel zu tragen. Das Erzbischöfliche Ordinariat in Breslau verlangte zudem mit einer besonders naiven Rechnung für die Verleihung des Titels des Infulatus an Labor 941 Florentiner von der Rosenberger Pfarrei (6. Mai 1753). Für beide Zahlungen erhielt die Rosenberger Pfarrei verschiedene Steuererleichterungen.

Dank Leopold Labor wuchst die Bedeutung der Rosenberger Pfarrei, weil diese nun der Sitz eines infulierten Propstes war. Die Rosenberger Augustiner machten sich so unabhängig von ihrem Mutterkloster, und der Rosenberger Propst wurde ein gleichberechtigter Partner gegenüber dem Abt des Breslauer Sandklosters. Als Dank für die Verleihung der Würde des Infulatus stiftete Labor ein Stanbild des heiligen Johann Nepomuk[4], errichtet auf dem Rosenberger Ring im Jahr 1753. Die besonderen Steuerprivilegien als Infulatus nutzend bekam Labor vom Generalvikar in Breslau die Erlaubnis, 230 Taler des Zehnten aus dem Dorf Biskupitz für die Rosenberger Pfarrei zu vereinnahmen (8. März 1754). Diese Schenkung wurde damit begründet, das er das Patronat über das Dorf bekommen hatte.

Selbstverständlich protestierte der nun ehemalige Vorgesetzte der Rosenberger Augustiner,  immer noch Franziskus Rosa, gegen diese Entscheidung und intervenierte abermals beim Bischoff. Wahrscheinlich auf Grund des Drucks, der so gegen den Breslauer Bischoff ausgeübt wurde, gab dieser das Patronatsrecht über die Kirche des Dorfes Biskupitz dem Dorf Sternalitz. Wegen dieses in seinen Augen unfairen Verhaltens des Bischoffs wandte sich unser Labor am 23. Oktober 1754 mit der Bitte um abermalige Übergabe des Rechtes des Patronats an das Rosenberger Kloster an den Preußischen König. Der so entstandene Konflikt wurde erst nach dem Tod Labors entschieden, als am 15. Juni 1757 die selbständige Pfarrei Biskupitz entstand, wo Gregor Adamczyk, ein Rosenberger Augustiner, erster Propst wurde. Erst danach erhielt das Rosenberger Kloster das Patronat über diese Kirche und das Eigentum an der Kirche in diesem Dorf.

Die Nominierung des Labor zum Infulatus wurde mit großem Beifall nicht nur durch die hohen geistigen Amtsträger in der Diözese Breslau, sondern auch über die Grenzen des Preußischen Staates hinaus aufgenommen. Am 10. September 1753 erlaubte Adam Ignacy Komorowski (1749 – 1759), Primas von Polen und Erzbischof von Gnesen, dem Rosenberger Propst die Benutzung der Standeszeichen des Infulatus in der gesamten Diözese Gnesen. Der Labor führte dort verschiedene Visitationen der ansässigen Augustinerklöster durch. Das war ohne Zweifel ein Beweis der großen Autorität, die der Rosenberger Propst besaß.

Leopold Labor starb plötzlich am Dienstag, dem 27. Mai 1755. Die Rosenberger Pfarrei verfiel in tiefe Trauer. Traditionsgemäß wurden seine sterblichen Überreste in die Krypta der St. Michaelkirche gebettet. In den Sarg des Toten legte man die Insignien des Infulatus, welche sich mit Ausnahme des Ringes bis heute erhalten haben (der Ring „verschwand“ erst in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts). Zusammen mit seinen Standeszeichen fand man beim Toten ein Gebetsbuch in deutscher Sprache, das ca. 1748 gedruckt wurde; man sollte bedenken, dass damals ein Buch wertvoll war, dessen Verbleib beim Toten eine besondere Wertschätzung zum Ausdruck bringt. Nicht nur der Leib des Infulatus, sondern auch sein Sarg haben sich bis heute gut erhalten.

Die sterblichen Überreste des Leopold Labor in der Krypta der Augustiner der St. MichaeliskircheLeopold Labor war im Verständnis der frühen Neuzeit ein Mensch starken Glaubens und wahrer Frömmigkeit. Er zeichnete sich für die Menschen seiner Zeit durch Großzügigkeit und Offenheit für die Bedürfnisse seiner Pfarrei aus. Nach seinem Tod verfiel dann auch das Augustinerkloster zusehends: Insbesondere das unwirtschaftliche Verhalten des Nachfolgers von Labor, Daniel Thomas Besling, und sein mit Zecherei und Kartenspielen einem Propst nicht angemessner Lebenswandel haben dazu beigetragen, dass das Rosenberger Augustinerkloster schließlich aufgelöst wurde (1770). Erst nach vielen Jahre, ironischer Weise in der Zeit des Sozialismus, erhielt die Rosenberger Pfarrei einen Teil ihres Glanzes durch den Propst Gustav Łysik (1957 – 1968) zurück, der ähnlich wie Labor wusste, dass die einmal erreichten Werte nicht wieder vernichtet werden dürfen.

Andreas Pawlik

[1] Rochus von Montpellier (um 1295 – 1327) ist Patron der Kranken, Krankenhäuser, Gefangenen, Apotheker, Ärzte, Chirurgen, Kunsthändler, Totengräber, Schreiner, Bauern, Gärtner, Bürstenbinder und Pflasterer. Er ist Schutzpatron gegen Pest, Cholera, Seuchen, Tollwut, Beinleiden und Unglücksfälle.

[2] Barett, spätlateinisch biretum, auch Birett, im 15. Jahrhundert aufkommende, schirmlose Kopfbedeckung eines Geistlichen.
[3] Infula heißen die Bänder der Mitra, die Infulierung ist die päpstliche Auszeichnung eines Abtes. Wir nennen, dem Wortlaut der Urkunde folgend, einen infulierten Abt bzw. in unserem Falle Propst „Infulatus“.
[4] Johann von Nepomuk, Schutzpatron von Böhmen. 1393 von König Wenzel IV. von Böhmen in die Moldau gestürzt, weil er das Beichtgeheimnis bewahrt hatte (1729 heiliggesprochen); besonders an Flüssen und Brücken verehrt. Auch Rosenberg hatte zu dieser Zeit verschiedene kleinere Flüsse in seiner Nähe.                          zurück
Adolf Weißmann
 Der berühmteste Musikkritiker der ersten Hälfte der XX. Jahrhunderts

Adolf Weißmann wurde am 15. August 1873 in Rosenberg O/S geboren. Er studierte Literatur und Philosophie in Breslau, Innsbruck, Florenz und Bern. Weißmann promovierte zum Doktor der Philosophie und wurde Gymnasialprofessor. Seinen Lehrberuf gab er jedoch bald auf und wirkte in Berlin als Musikkritiker. Schon im Jahre 1907 wurde er durch eine Biographie über George Bizet bekannt. Im Jahre 1911 veröffentlichte Weißmann sein bedeutendstes Werk „Berlin als Musikstadt seit 1740“, in welchem er einen historischen Überblick über das musikalische Geschehen in der Reichshauptstadt gab. Danach verfasste er eine umfangreiche Biographie über Frédéric Chopin (1912). Dieses Werk ist bis zum heutigen Tage eine Arbeitsgrundlage für alle Biographen des polnischen Komponisten.

Zu seinen weiteren Werken gehören: „Der Virtuose“ (1920), „Verdi“ (1922), „Giacomo Puccini“ (1922), „Die Musik in der Weltkrise“ (1922) und „Die Musik der Sinne“ (1925). Im Jahr 1927 schrieb Weißmann sein letztes großes Werk „Die Entgötterung der Musik“. Im Februar des folgenden Jahres verfasste er eine Übersicht über die Berliner Opernlandschaft („Oper Berlin“, Stuttgart 1929).

Adolf Weißmann starb am 23. April 1929 in Haifa (Israel).

Auch wenn er heute fasst vergessen ist, reichte die Bedeutung Weißmanns als Musikkritiker zu seiner Zeit an die eines deutsch-polnischen Literaturkritikers unserer Tage heran. Der gebürtige Rosenberger bestimmte nachhaltig die Bewertung des Musikschaffens von der Klassik bis zur späten Romantik (und dem Realismus Puccinis) sowie der frühen Moderne auf deutschem Boden, insbesondere was den Opernbetrieb in der damaligen Reichshauptstadt betrifft.

Zusammengetragen von Andreas Pawlik                                                                                                 zurück

Carl Ludwig Graf von Ballestrem (1755 – 1829)
 Ein Industrieller in Oberschlesien

Unser Held, Graf Carl Ludwig, verdankt es einer Fügung des Schicksals, dass er in Rosenberg geboren wurde; und seine Rolle als bedeutender Industrieller wurde ihm – dem Kind eines Militärs – auch nicht in die Wiege gelegt:

Die Familie des Grafen Ballestrem di Gestellengo kam im Jahr 1742 aus Italien nach Schlesien. Ein gewisser Giovanni Baptista Angelo Graf Ballestrem diente in der Armee Friedrich des Großen. Nach dem Erhalt einer Sondergenehmigung des Preußischen Königs heiratete Giovanni in Plawniowitz am 29. Oktober 1748 Maria Elisabeth Auguste Freiin von Stechow. Das junge Paar ließ sich in Plawniowitz bei Gleiwitz nieder und kaufte später noch die Ortschaften Biskupitz und Rudahammer dazu. Einige Monate danach, im Herbst des Jahres 1750, wurde das Husarenregiment Nr. 3 des Graf Johannes (Giovanni) nach Woischnik im Kreis Lublinitz O/S verlegt. Hier wurde dem Grafen von Ballestrem am 5. Mai 1750 sein ältester Sohn, Carl Franz, geboren. Später erblickte in diesem Dorf auch seine Tochter, Maria Anna, das Licht der Welt.

In Oktober 1755 wechselte die Garnison des Grafen nach Rosenberg O/S. Kurz nach dem Eintreffen der Eskadron in Rosenberg kam dort am 19. November 1755 der zweite Sohn des Grafen von Ballestrem, Carl Ludwig, zur Welt. Im Frühjahr des nächsten Jahres wurde die Garnison nach Glatz verlegt. Nach diesen verschiedenen Verlegungen der Einheit ihres Mannes zog die Gräfin Elisabeth mit den drei kleinen Kindern zu ihrem Vater nach Plawniowitz. Nur ein Jahr später wurde der Graf Johannes bei der Schlacht von Kolin (02.05.1757) tödlich verwundet. Die Witwe des Grafen wohnte danach in Ruda bis zu dem Zeitpunkt, als ihre Söhne in das Kürassier-Regiment Nr. 12 eintraten. Anschließend zog sie nach Ratibor.

Der ältere von den beiden Söhne des Grafen Johannes, Carl Franz, war mit einer Katherina Freiin von Carlowitz (1754 – 1811) verheiratet. Nach dem kinderlosen Tod des Bruders seiner Mutter, Carl von Stechow (gestorben am 09.09.1798), wurde Carl Franz als dessen Erbe eingesetzt. In seinem Besitz befanden sich nun die Gruben „Brandenburg“ und „Maximiliane“, in denen damals nur 30 Leute arbeiteten. Später baute Carl Franz das Unternehmen zu einem kleinen Imperium aus, so entstanden noch mehrere Gruben, u.a.: „Bessere Zukunft“ (1808), „Johannessegen“ (1808), „Gute Schifffahrt“ (1810) und „Catherina“ (1819). Insgesamt waren es schließlich 30 Gruben, die man am 30. November 1821 in 12 relativ großen Unternehmen zusammengefasst hat. Beginnend mit dem Jahr 1808 wurde Karl Gogula (1771 – 1848) als Verwalter dieser Gruben bestimmt. Gogula überredete den Grafen Carl Franz zum Bau einer Zinkhütte. Infolge dessen kaufte der Graf im Jahr 1811 noch ein Grundstück in Ruda (heute ist das ein Bezirk von Ruda Śląska, bei den Straßen Matejki und Orzegowskiej gelegen), auf dem er im folgenden Jahr seine erste Zinkhütte bauen lies. Sie erhielt den Namen „Carlshütte“ und wurde bis 1816 sorgfältig ausgebaut. Am Anfang hatte sie fünf doppelte Herde und ab dem Jahr 1821 15 Herde. Damals handelte es sich um die größte und modernste Zinkhütte in Oberschlesien, die bis zum Jahr 1908 noch in Betrieb war. Graf Carl Franz baute in Ruda auch eine Ziegelei (1822).

In der Zwischenzeit kaufte der Graf am 23. Mai 1816 zudem drei Dörfer bei Rosenberg O/S: Radau (Radawie), Koschütz (Kosice) und 2/3 von Lenke (Łąkę).

Nach dem Tod von Carl Franz am 14. August 1822 in Plawniowitz wurde unser Rosenberger, der jüngerer Bruder des Grafen, Carl Ludwig, der einzige Erbe des kleinen Industrieimperiums. Der damals schon 67jährige Graf Carl Ludwig erbte damit auch das Majorat im Kreis Rosenberg.

Von der Kindheit Carl Ludwigs ist nichts überliefert, doch ist anzunehmen, dass er, ebenso wie sein älterer Bruder, Carl Franz, im Elterhaus unterrichtet wurde. Anschließend schlug auch er, wie wir schon wissen, die Offizierslaufbahn ein und diente im Kürassier-Regiment Nr. 12 in Ratibor, wo er am 15.12.1773, also mit 18 Jahren, als Kornett eintrat.

Am 23.09.1794 wurde Carl Ludwig in Danzig mit Jeanette von Zülow (1768 – 1840), einer Tochter des Generals der Kavallerie Jakob von Zülow und der Caroline Schipp von Branitz, vermählt. Aus dieser Ehe entstammen neun Kinder, von denen jedoch die ersten vier, Elisabeth, Ludwig, Johannes und Heinrich im früheren Kindesalter starben. Ihnen folgten Carl Wolfgang, Elisabeth, Alexander sowie die Zwillingsschwestern Anna und Katharina.

Mit 47 Jahren schließlich, im Dezember 1802, schied Carl Ludwig als Rittmeister aus dem aktiven Dienst aus. Er blieb aber auch nach seinem Abschied von der Armee mit seiner Familie in Ratibor wohnen. Er lebte dort sehr bescheiden, eine jährliche Pension von nur 300 Reichstalern erhaltend. Die bescheidenen Verhältnisse sollten sich nach dem Tode des älteren Bruders grundsätzlich ändern. Zugleich warteten neue Aufgaben auf unseren Helden:

Gleich nach der Übername des Erbes von seinem Bruder (also noch im Jahr 1822) baute Carl Ludwig eine zweite Zinkhütte in Ruda, die den Namen „Gute Hoffnung“ erhielt (später „Godula“). Im Jahr 1825 entsteht in Ruda seine dritte Zinkhütte „Morgenroth“ („Jutrzenka“).

Außer der Zinkindustrie hat sich Carl Ludwig Graf von Ballestrem sehr stark in der Entwicklung des modernen Abbaus von Steinkohle engagiert. In einer der ältesten Steinkohlegruben in Oberschlesien – „Brandenburg“ (später „Wawel“), die schon seit 1770 existierte, veranlasste er den ersten Tiefbau. Um die Steinkohle tiefer abzubauen, setzte Carl  die teure und damals noch seltene Boulton´s Dampfmaschine ein. Die Modernisierungskosten betrugen 20.000 Taler. Nach Umbau und Vergrößerung der Grube „Brandenburg“ erreichte ihr Schacht eine Rekordtiefe von 85 m.

Carl Ludwig Graf von Ballestrem starb in Plawniowitz am 27. Juli 1829 im Alter von 73 Jahren. Der Erbe des Industrieimperiums wurde sein ältester Sohn, Carl Wolfgang (1801 –1879). Er und sein jüngerer Bruder, Alexander (1806 –1881), gründeten zwei verschiedene Linien der Familie von Ballestrem, deren Stammvater Giovanni – wie wir nun wissen - 1742 aus Italien kam, und den es durch Zufall und für sehr kurze Zeit im Jahr 1755 nach Rosenberg O/S verschlug. Infolge dessen gingen bedeutende Impulse für die Entwicklung der Industrie in Oberschlesien von der Familie Ballestrem aus, zu der auch unser Rosenberger, Graf Carl Ludwig, gehörte.

Andreas Pawlik                                                                                                                                     zurück