“Erstaunliche Schreibweise"
Ein Dokument aus der Regierungszeit Friedrichs II.
Kurz vor ihrem Tode schenkte Frau Viktoria von Borstell geb. Gräfin von Geßler aus Schoffschütz dem Heimatarchiv eine Quittung aus dem geretteten Wirtschaftsbuch der Gräflich Gessler'schen Gutsverwaltung Schoffschütz für die Jahre 1782-1784 über einen vom Dominium Schoffschütz am 17. März 1784 an das Königlich Preussische Kreis-Steueramt in Rosenberg bezahlten Versicherungsbeitrag. Der Wortlaut dieses Belegs ist folgender: “No. 6, No. 4. - Rthlr 20 Ggr - d. hat d. Dom. Schowczic an Viehassecouranz Beytrag Dato richtig bezahlet. Worüber quittieret wird.Rosenberg, den 17. Martii 178V Königl. Preußi. Creys-Steuer-Amt 20 gr. (Unleserliche Unterschrift)"Im Wortlaut dieses Belegs stoßen wir auf einige Besonderheiten. Warum trägt die Quittung zwei Nummern? Wahrscheinlich ist die erste die laufende Nummer der Geldeinnahmebelege für Viehversicherungen in der Kreis-Steueramtskasse und die zweite, unter der der Beleg ins Wirtschaftsbuch des Dominiums eingetragen wurde. Der Betrag von 20 Groschen erscheint uns heute sehr gering, doch war er zur damaligen Zeit ziemlich beachtlich. Wer von uns erinnert sich nicht an den Auszählreim bei den Kinderspielen: “Hier hast du einen Taler, geht auf den Markt, kauf eine Kuh und ein Kälbchen dazu!", der die Kaufkraft der damaligen Zeit widerspiegelt. Bis 1821 wurde der preußische Taler in 24 Gute Groschen zu 12 Pfennig geteilt. Deshalb die Abkürzung “Ggr." Ein Taler hatte folglich 288 Pfennige. Ab 1821 hatte der Taler 30 Silbergroschen, Sgr. abgekürzt, zu 12 Pfennigen, also 360 auf einen Taler. Um die alten von den neuen Pfennigen besser unterscheiden zu können, nannte man sie Pfenninge. Die 20 Guten Groschen in unserem Dokument sind also 5/6 Taler, bildlich gesprochen, “die Kuh ohne dem Kälbchen". Erstaunlich ist die Schreibweise des Ortsnamens. Man gewinnt den Eindruck, daß jeder den Ortsnamen so schrieb wie er hörte oder konnte, denn ein Jahr früher 1783, nennt Zimmermann in der Beschreibung des Rosenberger Kreises den Ort “Schofziz" und im Jahr 1821 lesen wir in der Beschreibung des Preußischen Schlesiens von J. C. Görlitz von “Schofzitz". Das größte Rätsel aber gibt uns der Einzahlungszweck auf. Die Angabe weist darauf hin, daß es sich um einen Viehversicherungsbeitrag handelt. Der preußische Staat scheint unter anderen die Landwirtschaft unterstützenden Maßnahmen auch die Viehversicherung eingeführt zu haben, die aber bald wieder abgeschafft wurde. In den Statistischen Tabellen des Jahres 1787 werden Versicherungen gar nicht erwähnt. Aus der Geschichte der Viehversicherungen erfahren wir, daß diese durch kleine Privatvereine z. B. Kuhkassen oder Kuhgilden vertreten wurden. Erst in der neueren Zeit enstanden große private Versicherungsgesellschaften, die sich mit Viehversicherungen befaßten. Die älteste dieser Gesellschaften, die Berliner Viehversicherungsbank, wurde aber erst im Jahr 1861 gegründet. Nun noch kurz zum Datum. Daß man die Monate lateinisch bezeichnete, war üblich. Anders aber verhält es sich mit der Jahreszahl. Da die ersten drei Ziffern der Jahreszahl “178." schon vorgeschrieben waren, mußte nur die vierte hinzugefügt werden, um zu wissen, um welches Jahr es sich handelt. Der Aussteller der Quittung hätte hier eine “4" eintragen können, aber warum einfach, wenn es auch komplizierter ging. Er trug ein in Deutscher Kurrentschrift (Sütterlin) geschriebenes “V" ein, was die Abkürzung von “Vier" bedeutete. Wir erkennen daraus, daß wenn man sich näher mit einem Dokument beschäftigt, sehr viel dazugelernt werden kann. Und das ist der Reiz eines Heimatarchivs. Wolfgang Weidel – Rosenberger Kreisblatt (Unser Oberschlesien 02.05.1997) |