Drehfrequenzregelung eines fremderregten Gleichstrommotors

Die Regelungstechnik beschäftigt sich mit der Bereitstellung von speziellen elektronischen Schaltungen, die physikalische Größen unabhängig von äußeren Störeinflüssen dauerhaft auf einem gewünschten Wert halten. Beispiele für solche Regelungen sind:

Handlungssituation

Der Zylinder aus Stahl hat eine Länge von 2 m und einen Durchmesser von 50 cm. Die Drehfrequenz soll auch bei Störungen (z.B. durch Abbremsen oder Spannungsschwankungen der Ankerspannung) auf einem konstanten Wert gehalten werden. Ein geeigneter Regler soll ausgewählt werden. Außerdem sollen die optimalen Reglereinstellungen (Parameter) ermittelt werden. Das Trägheitsverhalten des Vollzylinders wird durch das Trägheitsmoment beschrieben:

J = 0,5⋅m⋅R²

Grundbegriffe der Regelungstechnik



Regelung

Das Regeln -die Reglung- ist ein Vorgang, bei dem eine Größe, die zu regelnde Größe, Regelgröße x, fortlaufend erfasst, mit einer anderen Größe, der Führungsgröße w, verglichen und im Sinne einer Angleichung an die Führungsgröße beeinflusst wird.
Kennzeichen für das Regeln ist der geschlossene Wirkungsablauf, bei dem die Regelgröße x im Wirkungsweg des Regelkreises fortlaufend sich selbst beeinflusst (DIN 19226).

Führungsgröße w Die Führungsgröße ist derjenige vorgegebene Wert, auf dem die Regelgröße durch Regelung gehalten werden soll.

Regelgröße x
Die Regelgröße ist diejenige Größe, die durch das Regeln dauernd gleich der Führungsgröße gemacht werden soll.

Stellgröße y
Die Stellgröße ist diejenige Größe, durch welche die Regelgröße in erwünschter Weise beeinflusst werden kann.

Störgröße z
Die Störgröße ist diejenige Größe, deren Änderung die Regelgröße in einer unerwünschten Weise beeinflusst.

Regelstrecke
Die Regelstrecke ist derjenige Teil des Regelkreises, in dem die Regelgröße geregelt werden soll.

Regeldifferenz e
Die Regeldifferenz ist die Differenz zwischen Führungsgröße und Regelgröße.

Untersuchung der Regelstrecke

Ersatzschaltbild eines Gleichstrommotors



RA: Ankerwiderstand
LA: Ankerinduktivität
J: Trägheitsmoment des Läufers

Die Drehfrequenz eines Gleichstrommotors ist proportional zur Ankerspannung UA.

Ersatzschaltbild einer Regelstrecke für den Motor und den Vollzylinder


Regelstrecken enthalten Energiespeicher. Die Anzahl der Energiespeicher bestimmt die Ordnung der Regelstrecke. Eine Regelstrecke kann durch eine R-L-C-Reihenschaltung nachgebildet werden. Die Massenträgheit wird durch die Größe der Kapazität bestimmt:

Cdyn = J⋅(IAN/MN)2.

Die dynamische Kapazität repräsentiert die Massenträgheit der Arbeitsmaschine. Die Regelstrecke eines fremderregten Gleichstrommotors und der Arbeitsmaschine (Vollzylinder) kann als Reihenschwingkreis bestehend aus dem Ankerwiderstand RA, der Ankerinduktivität LA und der dynamischen Kapazität Cdyn (Trägheitsmoment der Motorwelle und dem Vollzylinder) nachgebildet werden. Die an der Kapazität anliegende Spannung ist proportional zur Drehzahl.

Sprungantwort für einen Gleichstrommotor mit Vollzylinder als mechanische Last

Die Spannung repräsentiert den Drehfrequenzverlauf. Der Spannungswert auf der Ordinate von 100 V entspricht 100%.
Die Spannung wird zum Zeitpunkt t= 0 eingeschaltet. Der Drehzahlverlauf wird mit einem x-y-Schreiber aufgenommen.
Durch Anlegen der Tangente können die Verzugszeit und die Ausgleichszeit ermittelt werden.

Es gibt Verfahren der Reglereinstellungen, die auf Erfahrung beruhen. Das hier ausgewählte Verfahren von Chien, Hrones und Reswick beruht auf der Ermittlung zweier Zeitkonstanten, der Verzugszeit Tu und der Ausgleichszeit Tg. In der Sprungantwort der Regelstrecke wird durch den Wendepunkt eine Tangente angelegt. Der Abstand zwischen dem Schnittpunkt dieser Tangente mit der Abszisse (waagerechte Achse) und der Ordinate (senkrechte Achse) heißt Verzugszeit Tu. Die Ausgleichszeit Tg ist der Abstand zwischen dem Schnittpunkt der Tangente mit der Leerlaufdrehzahl und der Ordinate minus der Verzugszeit.

Die Regelbarkeit einer Regelstrecke wird durch das Verhältnis von Tu zu Tg bestimmt.

Tu/Tg < 0,1 gut regelbar
Tu/Tg <= 0,166 noch regelbar
Tu/Tg > 0,3 schwierig regelbar
Tu/Tg = 1 kaum regelbar

Die Daten können der Tabelle entnommen werden. Alle Motoren haben ein Trägheitsmoment von J = 0,22 Nms2.

UA in V nN in 1/min PN in kW MN in Nm IAN in A LA in mH RA in Ω Cdyn in F Tmech Tel
260 765 9,2 115 42 13 0,795
400 750 13,5 172 41 24 1,49
400 1100 19,5 169 57 12 0,795
400 1340 23,5 167 67 8,6 0,554
400 1580 27,5 166 78 6,3 0,409
400 2430 40 157 110 2,8 0,197

Die elektrische und die mechanische Zeitkonstante bestimmen das Anlaufverhalten des Motors.

  Formel Erläuterung
elektrische Zeitkonstante Tel = LA/RA Die el. Zeitkonstante ist direkt proportional zur Ankerinduktivität LA und umgekehrt proportional zum Ankerwiderstand RA.
dynamische Kapazität Cdyn = J⋅(IAN/MN)2 Die dynamische Kapazität ist proportional zum Trägheitsmoment J und proportional zum Quadrat des Quotienten aus Ankernennstrom IAN und Motornennmoment MN.
mechanische Zeitkonstante Tmech = Cdyn⋅R A Die mech. Zeitkonstante ist proportional zur dyn. Kapazität Cdyn und proportional zum Ankerwiderstand.

Simulation der Sprungantwort

Darstellungsfehler

Ankerwiderstand RA in Ω Ankerinduktivität LA in mH
Bemessungsmoment MN in Nm Trägheitsmoment J in kgm2
Ankerstrom IA in kgm2 Zeitintervall tmax in ms

Aufgaben

  1. Beschreiben Sie das Ersatzschaltbild des Gleichstrommotors.
  2. Erläutern Sie den Begriff Trägheitsmoment.
  3. Vergrößern Sie das Trägheitsmoment von 0,2 bis 1 kgm2 in 0,2-er Schritten. Wie ändert sich die Sprungantwort (=Drehfrequenzverlauf)?
  4. Wie ändert sich der Drehfrequenzverlauf für J = 0,2 kgm2, wenn der ohmsche Widerstand vergrößert wird?
  5. Wie ändert sich der Drehfrequenzverlauf für J = 0,2 kgm2, wenn die Induktivität durch Zuschalten einer Glättungsdrossel vergrößert wird?

Untersuchung und Auswahl der Reglertypen

Es gibt drei grundlegende Reglertypen:

Ein P-Regler ist ein einfacher Verstärker, der das Eingangssignal um den Betrag des Verstärkungsfaktors (Proportionalbeiwert) verstärkt.

Der D-Regler ermittelt die Steigung des Eingangssignals. Die Kenngröße dieses Reglers heißt Vorstellzeit Tv.

Der I-Regler ermittelt die Fläche unter der Kurve des Eingangssignals. Die Kenngröße dieses Reglers heißt Nachstellzeit Tn.

Reglertyp Vorteil Nachteil
P-Regler schnell  bleibende Regelabweichung
D-Regler schnell bleibende Regelabweichung
I-Regler keine bleibende Regelabweichung langsam

Durch die Kombination aller drei Reglertypen erhält man den PID-Regler. Er vereinigt alle Vorteile der drei Reglertypen und verfügt nicht mehr über deren Nachteile.

Anforderungen an eine Regelung

An eine Regelung werden vier Anforderungen gestellt:

Auswahl eines geeigneten Reglertyps

Reglertypen können nicht beliebig eingesetzt werden. Zu jeder Regelstrecke muss ein passender Reglertyp ausgewählt werden.

Regelgröße P-Regler I-Regler PI-Regler PID-Regler
Temperatur bedingt geeignet  ungeeignet geeignet geeignet
Druck brauchbar geeignet geeignet geeignet
Durchfluss ungeeignet geeignet I-Regler besser nicht erforderlich
Niveau bedingt geeignet  ungeeignet geeignet nicht erforderlich
Drehzahl bedingt geeignet  ungeeignet geeignet geeignet
Spannung geeignet geeignet geeignet geeignet
Folgeregelung bedingt geeignet  geeignet geeignet geeignet

Schaltung eines PI-Reglers mit Operationsverstärker

Nachstellzeit: Tn = R2⋅C              Verstärkung: Kp = R2/R1

Sprungantwort des PI-Reglers


Schaltung eines PID-Reglers mit Operationsverstärker


Parameter Formel
Verstärkung Kp = R2/R1
Nachstellzeit Tn = R2⋅C2
Vorhaltezeit Tv = R1⋅C1

Sprungantwort des PID-Reglers mit sehr kleiner Vorhaltezeit


Einstellregeln nach Chien, Hrones und Reswick


Regler Parameter aperiodisch 20% überschwingen
Störung Führung Störung Führung
PI Kp 0,6Tg/Tu 0,35Tg/Tu 0,7Tg/Tu 0,6Tg/Tu
Tn 4Tu 1,2Tg 2,3Tu 1,0Tg
PID Kp 0,95Tg/Tu 0,6Tg/Tu 0,95Tg/Tu
Tn 2,4Tu 1,0Tg 2,0Tu 1,35Tg
Tv 0,5Tu 0,42Tu 0,47Tu

Aufgaben

  1. Beschreiben Sie die Schaltung wichtiger Reglertypen.
  2. Welche Regler haben eine bleibende Regelabweichung?
  3. Welche Regler haben keine bleibende Regelabweichung?
  4. Erklären Sie die Parameter Verstärkung Kp, Nachstellzeit Tn, Vorhaltezeit Tv.
  5. Simulieren Sie die Sprungantworten verschiedener Reglertypen.
  6. Beschreiben Sie, wie Regler nach Chien, Hrones und Reswick eingestellt werden.

Simulation der Drehfrequenzregelung

Das Programm simuliert die Drehzahlregelung eines fremderregten Gleichstrommotors. Durch Variation der Reglerverstärkung Kp, der Nachstellzeit Tn und der Vorhaltezeit Tv des PID-Reglers kann die optimale Reglereinstellung ermittelt werden.

Darstellungsfehler

Ankerwiderstand RA in Ω Verstärkung Kp
Ankerinduktivität LA in mH Nachstellzeit Tn in ms
Bemessungsmoment MN in Nm Vorhaltezeit Tv in ms
Trägheitsmoment J in kgm2 Zeitintervall tmax in ms
Ankerstrom IA in kgm2

Aufgaben

  1. Welche Anforderungen werden an eine Regelung gestellt? Erläutern Sie die Anforderungen anhand einer Skizze.
  2. Erläutern Sie die Begriffe Regelabweichung, Störgröße, Regelgröße, Führungsgröße.
  3. Beschreiben Sie den Aufbau eines Drehzahlregelkreises.
  4. Beschreiben Sie die Wirkungsweise einer Drehzahlregelung.
  5. Untersuchen Sie mit Hilfe des Simulationsprogramms den Einfluss des Ankerwiderstandes, der Ankerinduktivität und des Trägheitsmomentes auf den Verlauf der Sprungantwort der Regelstrecke.
  6. Simulieren Sie eine Drehzahlregelung mit einem PI-Regler und einem PID-Regler. Die Regelstrecke hat ein Trägheitsmoment von 1.0 kgm2.  Die übrigen Daten können aus der obigen Tabelle (2. Zeile) entnommen werden.  Die Regelparameter sollen nach Chien, Hrones und Reswick eingestellt werden.

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