Schutzmaßnahmen gegen die Gefahren des elektrischen Stromes

IT-Systemelektroniker sind laut Ausbildungsverordnung Elektrofachkräfte. Sie müssen deshalb die Schutzmaßnahmen sicher beherrschen. Eine Elektrofachkraft ist eine Person mit geeigneter Ausbildung und Erfahrung, die sie in die Lage versetzen, Risiken zu erkennen und Gefährdungen zu vermeiden, die von der Elektrizität ausgehen können.

Wichtige Begriffe

Elektrische Betriebsmittel sind Gegenstände, die zur Umwandlung, Übertragung, Verteilung und Anwendung von elektrischer Energie eingesetzt werden.
Aktive Teile sind unter Spannung stehende leitfähige Teile oder Leiter bei normalen Betriebsbedingungen. Hierzu zählen auch Neutralleiter, nicht aber der PEN-Leiter.
Erde ist die Bezeichnung für das leitfähige Erdreich, dessen Potential als Null betrachtet wird.
Körper sind berührbare leitfähige Teile von elektrischen Betriebsmitteln, die nur im Fehlerfall unter Spannung stehen können.
Körperschluss ist eine durch einen Fehler entstandene leitende Verbindung zwischen dem Körper und aktiven Teilen elektrischer Betriebsmittel.
Direktes Berühren heißt, aktive Teile zu berühren.
Beim indirektes Berühren werden Teile berührt, die durch Fehler unter Spannung stehen.
Fehlerspannung ist die Spannung, die im Fehlerfall zwischen Körpern oder zwischen diesen und der Bezugserde auftritt.
Fehlerstrom ist der Strom, der aufgrund eines Isolationsfehlers fließt.
Berührungsspannung ist der Teil der Fehlerspannung, der vom Menschen überbrückt werden kann.

Gefahren des elektrischen Stromes

Die vom elektrischen Strom ausgehenden Gefahren haben die Besonderheit, dass sie nicht wahrnehmbar sind. Eine Elektrofachkraft muss sich bewusst sein in welche Gefahren sie sich begibt, wenn sie an einer elektrischen Anlage arbeitet.

Wirkung Erläuterung
Physikalische Wirkung
  • Strommarken an der Stromeintrittsstelle
  • innere Verbrennungen
  • Flüssigkeitsverluste
  • Verbrennungen bei Lichtbogen
  • Blendungen bei Lichtbogen
Physiologische Wirkung
  • Muskelkontraktion
  • Nervenerschütterung
  • Muskelverkrampfungen (Erstickungsgefahr)
  • Blutdrucksteigerung
  • Herzkammerflimmern
  • Herzstillstand

Stromstärke und Einwirkdauer

Neben der Stromstärke ist auch die Einwirkdauer des Stromes auf den menschlichen Körper maßgeblich für den Ausgang eines Stromunfalls.

0,0045 mA Wahrnehmbarkeit mit der Zunge
1,2 mA Wahrnehmbarkeit mit den Fingern
6 mA Muskelverkrampfungen bei Frauen, Loslassgrenze (let-go current)
9 mA Muskelverkrampfungen bei Männern, Loslassgrenze (let-go current)
20 mA Verkrampfung der Atemmuskulatur
80 mA Herzkammerflimmern, wenn Einwirkdauer länger als 1 s

Maßnahmen gegen die Gefahren des elektrischen Stromes

Gegen die Gefahren des elektrischen Stromes muss der Mensch sich in zweierlei Hinsichten schützen. Bei allen Arbeiten muss sichergestellt werden, dass man keine spannungsführenden Teile berührt. Die elektrischen Anlagen sind durch geeignete technische Maßnahmen so zu gestalten, dass von ihnen im Fehlerfall (z. B. Körperschluss) keine Gefahr ausgeht.

Verhaltensmaßnahmen: Die fünf Sicherheitsregeln

Nr. Regel Kommentar
1 Freischalten Alle Spannungen an der Arbeitsstelle sind zuverlässig abzuschalten. Dies geschieht z. B. durch Abschalten des Leitungsschutzschalters.
2 Gegen Wiedereinschalten sichern Alle Schalter und Sicherungen, mit denen freigeschaltet wurde, sind gegen Wiedereinschalten zu sichern. Diese geschieht z. B. durch Ersetzen der herausgedrehten Sicherung durch abschließbare Sperrelemente, durch Abschließen des Schaltschrankes usw. Für die Dauer der Arbeit muss ein Verbotschild an dem Betriebsmittel angebracht sein, mit dem freigeschaltet wurde.
3 Spannungsfreiheit feststellen Die Spannungsfreiheit muss mit einem zuverlässigen Messgerät allpolig festgestellt werden.
4 Erden und Kurzschließen In Anlagen bis 1000 V kann diese Maßnahme entfallen.
5 Benachbarte, unter Spannung stehende Teile, abdecken oder abschranken Dies geschieht durch zuverlässig angebrachte isolierende Abdeckungen.

Aufgaben

  1. Nennen und begründen Sie die 5 Sicherheitsregeln.
  2. Was versteht man unter „Klebenbleiben am Strom“?
  3. Welche Vorrausetzung muss eine Elektrofachkraft erfüllen?
  4. Was versteht man unter „aktiven" Teilen?
  5. Was bedeutet „Körper“?
  6. Erklären Sie die Begriffe „Basisisolierung“ und „Betriebsisolierung“ am Beispiel einer Kunststoffschlauchleitung.
  7. Worin besteht der Unterschied zwischen direktem und indirektem Berühren?

Technische Maßnahmen: Schutzklassen

Die Schutzklassen legen den Schutz auf technischer Ebene fest. Durch geeignete technische Maßnahmen wird verhindert, dass ein Mensch spannungsführende Teile berührt.

Schutzklasse Erläuterung Beispiel
I
Schutzmaßnahme mit Schutzleiter
An dem Körper des Betriebsmittels wird der Schutzleiter (PE) angeschlossen. Im Falle eines Körperschlusses entsteht ein Kurzschluss zwischen PE und einem Aussenleiter: Das Sicherungsorgan löst aus und trennt das Betriebsmittel von der Spannungsquelle. Personal-Computer
II
Schutzisolierung
Der Körper des Betriebsmittels besteht aus nicht-leitendem Material. So kann kein Körperschluss entstehen. Handbohrmaschine
III
Schutzkleinspannnung
Die gefährliche Netzspannung (230 V) wird mittels Transformator auf einen ungefährlichen Wert heruntertransformiert (< 50 V AC, < 120 V DC). Spannungsversorgung für SPS

Aufgaben

  1. Geben Sie die Schutzklassen an, nach denen folgende Elektrogeräte gebaut sein müssen: Spielzeugtransformator, Handbohrmaschine, Föhn, Bügeleisen, elektrischer Rasierapparat, Toaster, elektrischer Rasenmäher.
  2. Beschreiben Sie den Aufbau des TN-S, TN-C-S, TT und IT-Netzes und erklären Sie die Schutzmaßnahmen in diesen Netzformen.

Analyse eines Körperschlusses im TN-C-S-Netz

Koerperschluss

Bei einem Körperschluss berührt ein Aussenleiter das Gehäuse (Körper) des Betriebsmittels (Computer).

Zwei Fälle können unterschieden werden:
  1. Der Schutzleiter ist angeschlossen: Es entsteht ein Kurzschluss und die Sicherung (Leitungsschutzschalter oder Schmelzsicherung) löst aus.
  2. Der Schutzleiter ist nicht angeschlossen: Zwischen dem Gehäuse des Betriebsmittels und der Erde (Fußboden) besteht eine Spannung. Wenn ein Mensch das Gehäuse berührt, überbrückt er eine Spannung. Es fließt nun ein Strom durch den menschlichen Körper:

    IK = UB/RK

    Der Körperwiderstand des Menschen wird mit RK = 1000 Ω angenommen. Die Berührungsspannung UB darf höchsten 50 V betragen.

Im Falle eines Körperschlusses wird die Stromstärke im Körper des Menschen wie folgt berechnet:

IK = 230 V/(RK + Rst)

Der Standortwiderstand Rst bestimmt letztendlich die Stromstärke im Körper des Menschen.

Kennlinie einer Schmelzsicherung Kennlinie eines Leitungsschutzschalters
kennlinie kennlinie

Abschaltzeit: ta < 0,4 s für Betriebstromstärken < 32 A in Endstromkreisen
Abschaltzeit: ta < 5 s für Betriebstromstärken in Verteilerstromkreisen
Ausführliche Informationen

Zusätzlicher Schutz durch Fehlerstromschutzschalter (RCD)

Der Fehlerstromschutzschalter ist ein zusätzlicher Schutz zum Schutzleitersystem (Schutzklasse 1). Er dient dem Personsonenschutz. Im Fehlerfall muss der RCD innerhalb von 400 ms abschalten. Für oberschwingungshaltige Ströme müssen besondere Fehlerstromschutzschalter (z. B. Type B) verwendet werden.

Ein Fehlerstromschutzschalter vergleicht den Strom, der in das Betriebsmittel hineinfließt mit dem Strom der wieder zur Spannungsquelle zurück fließt. Wenn die Differenz größer I Δn (z. B. 30 mA) ist, schaltet er den Stromkreis ab.
Für einen Hausanschluss können mehrere Fehlerstromschutzschalter eingesetzt werden.

> RCD

Aufgaben

  1. Beschreiben Sie die Wirkungsweise eines RCD (residual current device).
  2. Welche Abschaltzeiten gelten für RCD's?
  3. Im Schulungsraum löst der RCD aus! Welche Fehler können in der elektrischen Anlage vorliegen?
  4. Beschreiben Sie die Wirkungsweise eines RCD (residual current device).
  5. Ein Mensch berührt mit der linken Hand einen Aussenleiter und mit der rechten Hand den Neutralleiter. Löst der RCD aus? Begründen Sie ihre Antwort.
  6. Ein Mensch berührt mit der linken Hand einen Aussenleiter. Löst der RCD aus? Begründen Sie ihre Antwort.
  7. Ein Mensch berührt mit der linken Hand den Neutralleiter. Löst der RCD aus? Begründen Sie ihre Antwort.
  8. Der Schutzleiter ist unterbrochen. Löst der RCD im Fehlerfall aus?
  9. Wie wird die Funktion des RCD's überprüft?

Sichtprüfung

Bei der Überprüfung der Schutzmaßnahmen sind als erstes folgende Sichtprüfungen durchzuführen:

Messen der Schleifenimpedanz

Mit der Messung der Schleifenimpedanz wird überprüft, ob der gesamte Widerstand einer Leitung (=Schleifenimpedanz) nicht zu große Werte hat. Wäre der Schleifenwiderstand zu groß, so würde im Fehlerfall die Sicherung nicht schnell genug oder überhaupt nicht auslösen.

Das Ersatzschaltbild der Fehlerschleife besteht aus einer Spannungsquelle und der sogenannten Schleifenimpedanz ZS. Diese Impedanz setzt sich aus der Impedanz der Transformatorwicklung, dem ohmschen Widerstand des Außenleiters und dem ohmschen Widerstand des PEN-Leiters zusammen. Sie kann näherungsweise als ohmscher Widerstand angenommen werden.

Für die messtechnische Ermittlung des Schleifenwiderstandes gibt es besondere Messgeräte. Diese Messgeräte arbeiten nach folgendem Prinzip:
Zuerst wird die Leerlaufspannung U0 (=Quellenspannung) gemessen.
Danach wird der Außenleiter und der PE-Leiter mit einem Prüfwiderstand RP belastet und die Spannung UP an diesem Widerstand sowie der Strom Imes gemessen.
Aus der Spannungsdifferenz U0 – UP und dem gemessenen Strom Imes berechnet das Messgerät den Schleifenwiderstand.

Aufgaben

  1. Was versteht man unter „Schleifenwiderstand“?
  2. Beschreiben Sie, wie der Schleifenwiderstand gemessen wird.
  3. Warum soll der Schleifenwiderstand an der entferntesten Stelle im Stromkreis gemessen werden?
  4. Beschreiben Sie den Kennlinienverlauf einer Schmelzsicherung im Zeit-Strom-Diagramm.
  5. Beschreiben Sie den Kennlinienverlauf eines Leitungsschutzschalters im Zeit-Strom-Diagramm.
  6. Wie groß darf der Schleifenwiderstand in einem TN-Netz mit einer 16-A Sicherung maximal sein?

Messen des Isolationswiderstandes

Der Isolationswiderstand muss zwischen den Leitern des Leistungskreises und dem Schutzleiter gemessen werden. Die Leitungen sind vor der Messung spannungsfrei zu schalten. Der Isolationswiderstand muss größer als 1 MΩ (Megaohm) sein. Die Messspannung muss 500 V (DC) betragen.

Das Isolationsmessgerät misst den Strom, der in der Isolation zwischen den Leitern fließt und berechnet nach dem ohmschen Gesetz aus der im Messgerät erzeugten Messspannung (U0 = 500 V DC) den Isolationswiderstand. Wenn das Isolationsmessgerät keinen Innenwiderstand hat und ein Strom von 10 µA fließt, beträgt der Isolationswiderstand 50 MΩ.

Wenn man den Innenwiderstand Ri des Messgerätes berücksichtigt, wird der Isolationswiderstand mit folgener Formel berechnet:

Riso = U0/I - Ri

Aufgaben

  1. Was versteht man unter dem Isolationswiderstand von Leitungen?
  2. Warum muss der Isolationswiderstand gemessen werden?
  3. Beschreiben Sie, wie der Isolationswiderstand (400/230 V –Anlage) gemessen wird?
  4. Welche Auswirkungen kann ein Isolationsfehler haben?
  5. Wie groß ist der Ableitstrom, wenn der Isolationswiderstand 1 MΩ beträgt?

Messgerät zur Überprüfung der Schutzmaßnahmen

Für die Prüfung der elektrischen Ausrüstung von Maschinen gibt es spezielle Messgeräte mit denen alle vorgeschriebenen Messungen durchgeführt werden können.

Messgerät Beschreibung
messgeraet Mit dem PROFITEST 2 kann die Prüfung der Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen in elektrischen Anlagen gem. VDE 0100 Teil 600 durchgeführt werden.
  • Niederohmmessung gem. VDE 0413 Teil 4
  • Isolationsmessung gem. VDE 0413 Teil 2
  • Komplette RCD (FI) - Prüfung gem. VDE 0413 Teil 6
  • Zschl + IK + Sicherungstyp gem. VDE 0413 Teil 3
  • Erdungsmessung gem. VDE 0413 Teil Teil 5
  • Drehfeldrichtungsanzeige gem. VDE 0413 Teil 7
  • Prüfgerät gem. VDE 0413 Teil 1
  • Prüfungen per länderspezifischem Steckereinsatz (Schuko etc.) oder 2-pol. Adapter

Bedienungsanleitung

Die messtechnische Überprüfung der Schutzmaßnahmen muss in einem Messprotokoll dokumentiert werden.

Aufgaben

  1. Welche Prüfungen müssen nach VDE 0100 durchgeführt werden?
  2. Beschreiben Sie die Bedienung des Messgerätes.
  3. Beschreiben Sie die praktische Durchführung der Messungen für den Schulungsraum.

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