Die Arbeitsgemeinschaft Schleiereulenschutz im Altkreis Minden kontrolliert nicht nur die Schleiereulenkästen und zählt die Anzahl der Brutpaare und Jungvögel. Alle abgefangenen Schleiereulen, Wald-, Steinkäuze und Turmfalken und deren Jungvögel werden von uns auch beringt.
Die Gründe dafür, dass Vögel überhaupt beringt werden sind vielfältig.
Rahmenbedingungen und rechtliche Grundlagen
Werden Vögel in Deutschland oder auch in Europa beringt, so handelt es sich dabei um wissenschaftliche Vogelberingung, das heißt, die Vögel werden im Sinne der Wissenschaft und aus wissenschaftlichen Gründen beringt. Beringer werden daher durch die Vogelwarten oder Beringungszentralen sehr gut ausgebildet. Teil dieser Ausbildung ist beim Institut für Vogelforschung 'Vogelwarte Helgoland' ein Wochenendlehrgang, in dem neben praktischen Kenntnissen für die Beringung auch rechtliche Grundlagen vermittelt werden. Obligatorisch ist außerdem ein mindestens einwöchiger Aufenthalt an einer Beringungsstation, wie der Inselstation des Instituts für Vogelforschung auf Helgoland. Zudem kann niemand in Europa von den Beringungszentralen die erforderliche Beringungslizenz erhalten, wenn er/sie nicht fundiert und nachvollziehbar darlegen kann, wieso er/sie Vögel beringen möchte. Um Vögel beringen zu dürfen, ist es also notwendig eine wissenschaftliche Fragestellung zu verfolgen, die auch nach Ansicht der Beringungszentrale von Interesse für die wissenschaftliche Gemeinschaft ist.
Beweggründe für Beringung
Die Erkenntnisse, die aus der Beringung von Vögeln gezogen werden können, sind sehr viel umfassender und weitreichender als die einzelnen Fragestellungen, die ursprünglich ausschlaggebend für die Entscheidung waren, Vögel zu beringen.
Bei den ursprünglichen Fragestellungen geht und ging es häufig darum, Zug- und Wanderungsbewegungen, Demografie, Brutbiologie oder ökologische Prozesse zu verstehen und nachvollziehen zu können.
Beringung, der Klimawandel und H5N1
Inzwischen können aber auf Grundlage der Daten aus über 100 Jahren Beringung auch umfassende Schlüsse, beispielsweise zum Thema Klimawandel, gezogen werden. Vögel sind auf Grund ihrer Mobilität, und weil sie leicht zu beobachten sind, besonders gute Indikatoren für Veränderungen der Rahmenbedingungen in einem bestimmten Lebensraum oder auch weltweit. Denn da sie besonders schnell ihren Standort wechseln können, zeigt sich an Hand ihres Verhaltens ebenso schnell, wenn sich die Bedingungen in einem Lebensraum verändern. Das zeigt sich auch am Beispiel des Bienenfressers, dessen Verbreitungsgebiet sich auf Grund höhere Temperaturen immer weiter in Richtung Norden ausgedehnt hat, aber auch bei vielen heimischen Singvogelarten, die ursprünglich Zugvögel waren, jetzt aber immer häufiger bei uns überwintern und so zu Teilziehern oder sogar Standvögeln geworden sind. Ebenfalls sehr markant sind die früheren Ankunftszeiten und der frühere Brutbeginn im Frühjahr. Diese Verhaltensänderungen, die innerhalb der letzten Jahrzehnte stattgefunden haben, zeigen dass es immer noch sinnvoll ist mit Hilfe der Beringung das Zugverhalten von Singvögeln zu beobachten. Auch wenn Kritiker meinen, dass man inzwischen doch genügend Kenntnisse über das Zugverhalten hätte. Ohne Beringung wären diese Veränderungen im Zugverhalten gar nicht festzustellen gewesen. Am Beispiel Klimawandel zeigt sich somit hervorragend welche Bedeutung die Beringung für die heutige Wissenschaft hat und welch tiefgreifende Erkenntnisse aus den durch Beringung gewonnenen Daten gezogen werden können.
Auch beim Ausbruch der Vogelgrippe (H5N1) in Europa stieg das Interesse von Behörden, Forschungsinstituten und Medien an den Daten der Beringungszentralen. Jetzt wurde es wieder einmal interessant, Informationen über das Zugverhalten der Vögel zu bekommen, um die Ausbreitung des Virus nachvollziehen und eventuell auch vorhersagen zu können. Durch die bereits vorhandenen Daten konnte gezeigt werden, dass nicht allein der Vogelzug Grund für die Ausbreitung gewesen sein konnte, gleichzeitig konnten auf Basis der Beringungsdaten aber auch gezielte Präventionsmaßnahmen eingeleitet werden.
Langfristige Beobachtung und EURING
Weil in Europa seit gut 100 Jahren flächendeckend und ununterbrochen Vögel beringt wurden, können wissenschaftlichen Studien auf große und umfangreiche Datensätze zurückgreifen. So ist es möglich für immer neue Studien und Fragestellungen diese bereits erfassten Daten zu nutzen und trotz des neuen Untersuchungsziel auf fundierte Daten zurückzugreifen. Ein so großer Zeitraum könnte sonst nicht abgedeckt werden. Das Zugreifen auf diese Informationen wird dadurch vereinfacht, dass die Daten aller europäischen Beringungszentralen in vereinheitlichter elektronischer Form vorliegen. Aus diesem Grund und um die Zusammenarbeit zwischen den Zentralen zu verbessern und zu vereinfachen, sowie mit dem Ziel die Rahmenbedingungen für Beringung in Europa zu standardisieren, wurde EURING gegründet. Durch EURING gibt es einen ständigen Dialog und ständigen Austausch zwischen allen europäischen Beringungszentralen.
Beringungsdaten als Grundlage für Schutzmaßnahmen
Um effektive Schutzmaßnahmen für Zugvögel einleiten zu können, ist es notwendig die Zusammenhänge zwischen Brut-, Rast- und Überwinterungsgebieten zu kennen. Schutzmaßnahmen in Nord- oder Westeuropäischen Brutgebieten haben nur bedingten Erfolg, wenn die zu schützende Art durch Gebiete im Mittelmeerraum zieht, in denen sie noch bejagt wird. Gleichzeitig muss dieses Wissen auf stichhaltige Daten gegründet sein, damit über die Politik auch in diesen Gebieten Schutzmaßnahmen durchsetzbar werden.
Gleichzeitig dienen auch hier wieder die beringten Arten als Indikatoren für Veränderungen in Brutgebieten, aber auch für den Erfolg von Schutzmaßnahmen, die gar nicht direkt auf die Vogelart abzielen. In diesen Fällen ist der beringte Vogel wirklich nur ein Indikator. Als Grundlage für die Nutzung von beringten Vogelarten als Indikatoren war es aber zunächst einmal notwendig die Wechselwirkung von Vogelpopulation und Habitaten zu verstehen.
In gleicher Weise kann es notwendig sein die Hintergründe und den genauen Ablauf von Populationsveränderungen (z.B. Zu-/Abnahme) zu verstehen, um überhaupt sinnvolle Schutzmaßnahmen ergreifen zu können. Auch diese Informationen erhält man besonders einfach durch Beringung.
Der Vogel als Individuum und Evolutionsstudien
Nur durch Beringung ist es möglich einen einzelnen Vogel von Anderen seiner Art zu unterscheiden, ihn als Individuum zu betrachten. Hier kann es interessant sein das Schicksal einzelner Individuen nachvollziehen zu können, um demografische Daten und Eigenschaften sowie demografische Veränderungen in Populationen zu erfassen. Da es auch durch Beringung nicht möglich ist einzelne Individuen ständig zu beobachten, wurden statistische Methoden entwickelt um aus der Fülle von Daten einzelner Individuen auf eben jene demografischen Informationen schließen zu können.
Ebenso können Informationen über das Partnerverhalten nur gewonnen werden, wenn die einzelnen Tiere voneinander unterscheidbar sind. Es konnte so unter anderem geklärt werden, inwieweit Inzucht in freier Wildbahn auftritt und mit welchen Folgen.
Für evolutionäre Vorgänge sind die Gene einzelner Tiere von Bedeutung. Es ist also auch hier wichtig das einzelne Individuum zu betrachten. Denn nur durch dieses werden die individuellen Gene transportiert und weitergegeben, nicht durch eine gesamte Population. In diesem Fall ist daher vor allem die Farbberingung sinnvoll, weil so die einzelnen Individuen voneinander unterschieden werden können, ohne sie durch ständiges Abfangen zu stören und damit das Verhalten zu beeinflussen.
Darüber hinaus gibt die Beringung hier Auskunft über individuelle Spitzenleistungen (-->outstanding individuals). Beispielhaft seien hier eine Küstenseeschwalbe, die nach dem Flüggewerden in nur drei Monaten 22.000 Kilometer zurücklegte, und ein 55 Jahre alter Sturmtaucher genannt. Auch Schleiereulen, die bei uns im Altkreis Minden beringt wurden, haben teilweise außergewöhnlich große Strecken (mehr als 1000 Kilometer) zurückgelegt. Die Herausragendsten von ihnen haben wir ein unserer Statistik Wiederfunde zusammengefasst und auf einer Karte dargestellt.
Beringung ist also nicht nur für den Schutz und das Verständnis wildlebender Vögel, sondern auch für das Verständnis ganzer Ökosysteme und das Verständnis globaler Veränderungen wie dem Klimawandel sinnvoll und notwendig. Das notwendige Wissen umfasst dabei das Zugverhalten, Populationsdynamik und Einfluss menschlichen Handelns auf eben jene Verhaltensweisen.
Ring gefunden - was tun?
Was soll man also tun, wenn man einen Ring oder einen beringten Vogel findet?
Findet man nur einen Ring ist es für den Laien schwer zu sagen, zu welchem Vogel dieser Ring gehört hat. Trotzdem sollte so ein Ringfund auf jeden Fall der Vogelwarte gemeldet werden. Wichtig ist es hierbei anzugeben, wo, wann und unter welchen Umständen der Ring gefunden wurde. Wird ein Vogel mit Ring gefunden, sollte außerdem mit angegeben werden, um welche Art es sich handelt und ob eine Todesursache ersichtlich ist. Liegt ein toter Vogel am Straßenrand, wird er wahrscheinlich auch Opfer des Straßenverkehrs gewesen sein, das mit anzugeben ist sehr wichtig. Findet man einen Ring an einer Bahntrasse, ist es wahrscheinlich, dass hier vor langer Zeit ein Vogel durch einen Zug oder die Oberleitung umgekommen ist. Das kann aber nur eine Vermutung sein, und sollte deswegen auch nur als solche mit angegeben werden. Allgemein gilt; möglichst alle verfügbaren Informationen mit angeben, aber nicht mehr als sicher zu sagen ist. Ringfunde sollten außerdem immer an die Vogelwarte gemeldet werden, in deren Gebiet der Ring gefunden wurde. Auch wenn man einen Ring der Vogelwarte Helgoland in Mecklenburg-Vorpommern findet, sollte man diesen nicht an die Vogelwarte Helgoland sondern an die Vogelwarte Hiddensee melden. Das erleichtert die Arbeit der Beringungszentralen, da so kein doppelter Datenabgleich notwendig wird. Für das Gebiet der Vogelwarte Helgoland hilft die Seite Meldung eines Ringfunds weiter.
Beim Fund eines beringten Turmfalken, Wald- oder Steinkauz oder einer beringten Schleiereule im Altkreis Minden können sie sich gerne auch direkt an uns wenden (Kontakt). |